Friedrich Wührer
1900 - 1975
Ausgebildet an der Musikakademie seiner Heimatsatdt Wien bei Franz Schmidt (Klavier), Ferdinand Löwe (Kapellmeister) und Joseph Marx (Theorie) feierte Friedrich Wührer in der Zwischenkriegszeit in aller Welt Erfolge als Interpret - vor allem romantischer Musik. Dank seiner profunden Ausbildung gehörte Wührer - wie etwa auch Wilhelm Kempff - zu jenen Interpreten, die bei Aufführungen klassischer Klavierkonzerte in der Regel eigene Kadenzen und »Eingänge« spielten.
Auch pflegte Wührer gute Beziehungen zur Wiener Moderne um Arnold Schönberg und war imstande, anläßlich einer Aufführung von Schönbergs Pierrot Lunaire in Barcelona kurzfristig für den erkrankten Eduard Steuermann einzuspringen. Unter Schönbergs Augen studierte Wührer 1922/23 dessen Liederzyklus Das Buch der hängenden Gärten mit Martha Winternitz-Dorda ein, um ihn unter anderem beim Festival der Internationalen Gesellschaft für zeitgenössische Musik zur Zeit der Festspiele in Salzburg aufzuführen.
Schubert Gesamtaufnahme
Ein Meilenstein in der Aufnahmegeschichte ist die Gesamteinspielung des Klavierwerks von Franz Schubert. Bedeutsam wurde Wührer auch als Interpret spätromantischer Werke - Hans Pfitzner widmete Wührer seine Studien für das Pianoforte (op. 51, 1943), nachdem Wührer sich nachhaltig für sein Klavierkionzert eingesetzt hatte. Pfitzners Konzert hat Wührer für den Österreichischen Rundfunk auch aufgenommen, ebenso die Werke für Klavier und Orchester, die sein Lehrer Franz Schmidt hinterlassen hat. Da diese sämtlich für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein komponiert wurden und daher in Versionen für Klavier linke Hand vorlagen, hat Wührer sowohl von den Kammermusik-Werken als auch von den konzeranten Stücken Schmidts Fassungen für zwei Hände arranigert, die nach Ablauf der von Wittgenstein ausbedungenen Schutzfrist auch gedruckt wurden. Schmidts letztes, für Wittgenstein komponiertes Werk, das Quintett in A-Dur brachte Wührer in Wien (in seinem Arrangement für zwei Hände) zur Uraufführung, nachdem der Auftraggeber nach dem sogenannten Anschluß Österreichs ans Dritte Reich hatte fliehen müssen.Als Kammermusiker hat sich Wührer bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten vor allem an der Seite Karl Doktors und Hermann Buschs für Aufführungen von Klaviertrios zusammengefunden. Diese »Wiener Trio-Vereinigung« gastierte 1926 sogar bei den Salzburger Festspielen. Doch wählte der Pianist nach 1933 (bzw. 1938) nicht wie die Musiker-Partner das Exil, sondern blieb im Einflußbereich der NS-Diktatur. Er unterrichtete in Wien, Mannheim, Kiel und München, während er regelmäßig Meisterkurse am Salzburger Mozarteum leitete. In dieser Eigenschaft hat der Name Wührers Eingang in die Weltliteratur gefunden: Thomas Bernhard erwähnt ihn in seinem im Umfeld der Meisterkurse angesiedelten Roman Der Untergeher. Zu Wührers Schülern gehörten unter anderen die Cembalistin Hedwig Bilgram, Hans Kann und der gesuchte Liedbegleiter Geoffrey Parsons.
Wie viele Musiker, die während der NS-Ära in Deutschland verblieben waren, mußte Wührer sich nach 1945 für mehr als zwei Jahre von den Podien zurückziehen. In Wien stellte er sich im Oktober 1948 mit einem anspruchsvollen Programm wieder seinem Publikum: Auf Schuberts große B-Dur-Sonate (D 960) ließ er Brahms' f-Moll-Sonate und Schumanns Symphonische Etüden folgen.
Aufnahmen
Wührers dezentes, delikat differenziertes Spiel ist unter anderem in einer der besten Aufnahmen von Beethovens Viertem Klavierkonzuert dokumentiert, die der Pianist 1957 mit den Bamberger Symphonikern unter Jonoe Perlea für das Label Vox gemacht hat: Eine ebenso unprätentiöse, wie fein nuancierte und ungemein klar strukturierte Wiedergabe dieses Werks, die dank einer akustischen Renovierung durch die Techniker der Labels »Pristine« in exzellenter Qualität wieder zugänglich ist.
Für lange Zeit die einzige zugüngliche Aufnahme der beiden Klavierkonzerte Carl Maria von Webers stammte von Friedrich Wührer und den Wiener Symphonikern unter Hans Swarowski (turnabout), eine Wiedergabe, die durchaus den romantischen Tonfall hinter den durchaus brillant gemeisterten pianistischen Virtuositätsdemonstratinoen aufspürt.
Für die Cineasten unter den Klassik-Freunden ist interessant, daß Wührer den Soundtrack für den Film Liszt-Rhapsodie (im Original: »Wenn die Musik nicht wär'«) eingespielt hat, einem der frühesten Filme, in denen der beliebte Wiener Schauspieler Paul Hörbiger für das deutsche Kino der NS-Zeit vor der Kamera stand.