Auf dem weiten Weg

19. April 1996
Gottlieb Wallisch war der zweite Pianist im Jugendzyklus der Jeunesse im Konzerthaus. Eine Hoffnung.

Gottlieb Wallisch (18) hat für sein Jeunesse-Konzert ein mutiges Programm gewählt: Auf eine Haydn-Sonate (e-Moll) und Thomas Christian Davids klassizistische Solosonate von 1967 folgten Schuberts nachgelassene Impromptus D 946; diese bilden, was man im Musikerjargon einen "harten Brocken" nennt.

Denn Schubert spannt hier weite Bögen, vereinigt gegensätzlichste Ausdruckswelten unter einem Dach. Das will klug differenziert und zu einer Einheit gebunden sein. Für einen Pianisten im Reifungsprozeß gehört das sozusagen zu den Fleißaufgaben. Wallisch ist technisch bereits weit fortgeschritten, bewältigt etwa Schumanns "Carnaval", Hauptwerk des Abends, souverän.

Mit Skrjabins dis-Moll-Etüde bewies er im Zugabenteil überdies, daß es ihm auch gelingt, komplizierte pianistische Hürden durch kluge Disposition zu nehmen. Wo andere mit Draufgängertum bluffen, herrscht hier ein umsichtig organisierender Geist.

Mag sein, daß Wallisch mit der Zeit in tiefere Schubert-Welten eindringen wird, um weite musikalische Landschaften erlebnisreicher darzustellen; mag sein auch, daß er über die ironischen und seelischen Zwischentöne und "Brechungen" in den Miniaturporträts des "Carnaval" noch feinfühliger referieren wird.

Was er heute bietet, darf als großes Versprechen gewertet werden: Da macht sich eine Persönlichkeit auf den Weg. sin Der Zyklus im Schubertsaal findet heute mit einem Konzert der Pianistin Ingrid Marsoner seinen Abschluß.

↑DA CAPO