Olga Samaroff

1880 - 1948

Sie hieß eigentlich Lucy Hickenlooper, stammte aus Texas, war die erste Amerikanerin, die am Pariser Conservatoire studieren durfte und heiratete in zweiter Ehe den Dirigenten Leopold Stokowski. Ihren eigentlichen Karrierestart - noch vor der Heirat mit Stokowski - verdankt sie dem Rat eines Agenten, der sie dazu brachte, den Namen eines entfernten Verwandten anzunehmen und ihre amerikanische Herkunft zu verschweigen. (Den Namen Hickenlooper assoziierten Amerikaner damals vor allem mit einem General aus der Zeit der Sezessionskriege.) Als Olga Samaroff deübtierte sie als erste Frau in der New Yorker Carnegie Hall und triumphierte mit ihrer Wiedergabe von Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert. Orchester und Dirigent (Walter Damrosch) hatte sie selbst finanziert, den Saal gemietet. Die Investition lohnte sich: Samaroff begann nach diesem Einstand eine reiche Tournee-Tätigkeit, die sie zunächst durch die USA, später in alle Welt führen sollte. Legedär wurden ihre Auftritte unter der Leitung von Gustav Mahler bei Aufführungen des Klavierkonzerts von Edvard Grieg in New York. Ihr Ruhm führte 1928 zu einem Auftritt vor dem Präsidenten der Vereinigten Staaten im Weißen Haus.

Die Ehe mit Stokowski

Wer da meint, sie hätte Leopold Stokowski aus Berechnung geheiratet, irrt gewaltig. Der nachmals so berühmte Dirigent verdankt seine Karriere eigentlich seiner Frau. Samaroff entdeckte ihn als Organisten von St. Barholemew's in New York und musizierte mit ihm am Dirigentenpult erneut das Tschaikowsky-Konzert anläßlich ihres Debüts in Paris. Nach der Geburt er gemeinsamen Tochter Sonja verschaffte Samaroff Stokowski unter Nutzung ihrer mittlerweile glänzenden Beziehungen auch den Posten des Musikdirektors des Philadelphia Orchestra, an dessen Spitze der Dirigent seinen Weltruhm erst begründen konnte.

Eine Pioniertat war auch die zyklische Aufführung aller Beethoven-Klaviersonaten, was vor Samaroff lediglich Hans von Bülow unternommen hatte. Artur Schnabls legendärer Beethoven-Zyklus war erst eine Folge von Samaroffs Projekt.

Ein - an sich unspektakulärer - Unfall besiegelte Samaroffs Pianisten-Karriere. Eine Schulterverletzung verhinderte, Anfang der Dreißigerjahre daß sie weiterhin auftreten konnte. In der Folge schrieb sie wortgewaltige Musikkritiken in der New York Evening Post.

Im übrigen war sie eine ebenso gefürchtete wie erfolgreiche Pädagogin. Aus ihrer Klavierklasse an der Juilliard School in New York gingen Talente wie der Dirigent Thomas Schippers hervor, überdies William Kapell, dessen tragisch frühen Tod bei einem Flugzeugabssturz die Lehrerin nicht mehr erlebte, oder Rosalyn Tureck, die von einer Anwältin der zeitgenössischen Musik zu einer der hervorragenden Bach-Interpretinnen ihrer Generation wurde. Einer der letzten Studenten, die in Samaroffs Klavierklasse aufgenommen wurden, war der mittels eines Stipendiums in die USA gekommene 16jährige Bulgare Alexis Weissenberg.

Zu den wenigen Aufnahmen, die sich von Samaroffs Kunst erhalten haben, begonnen mit einigen Welte-Mignon-Rollen im Jahr 1908, zählt eine 1930 entstandene, gelenkige, rhythmisch delikate Malaguena ihres kubanischen Zeitgenossen Ernesto Lecuona. (Naxos)

↑DA CAPO

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