Víkungur Olafsson




Debussy - Rameau
DG    2020

Víkungur Olafsson koppelt auf seiner jüngsten CD Clavecin-Musik von Rameau mit Werken von Claude Debussy und zieht aus diesem Jahrhunderte überspannenden pianistischen Bogen einigen Gewinn.

Wie kann sich ein Pianist in Zeiten wie diesen von der enormen Konkurrenz absetzen? Angesichts der zahlreichen aus allen Erdteilen kommenden Kollegen, die alle sehr schnell und manche noch schneller das Repertoire von Bach bis Prokofieff herunterspielen können, ohne viele Fehler zu machen, punktet man am leichtesten mit klug zusammengestellten Programmen, die Musikfreunden Entdeckungen bieten und neues Licht auf altbekanntes Repertoire werfen.
In dieser Hinsicht ist der isländische Pianist Víkungur Olafsson Weltmeister. Er spielt im Übrigen auch hervorragend Klavier. Aber das unterscheidet ihn noch nicht von der beängstigenden Phalanx an Pianisten seiner Generation.

Einigende Kontraste

Das jüngste Album Olafssons bietet dem Hörer in jeder Hinsicht eine vergnügliche Musik-Stunde. Auch wer nicht vorab liest, was der Künstler in seinem klugen selbstverfassten Begleittext über die historischen Querverbindungen zu erzählen weiß, wird sich von dem über fast zwei Jahrhunderte gespannten Bogen zwischen Jean-Philippe Rameau und Claude Debussy fesseln lassen.

Von der spätbarocken Clavecinisten-Artistik bis zum impressionistischen Farbenspiel führt oft nur ein kaum merklicher Gedankensprung. Pittoreskes Spiel mit Bildern und Formen herrscht hier wie da, ob Rameau die Vögel singen lässt oder Debussy die Gärten mit unablässig strömendem Regen tränkt.

Die Lust am klingenden Geschichten-Erzählen ist beiden Komponisten eigen. Ebenso die Kunst, aus den tönend vorgestellten Bildern immer neue Lösungen für die musikalische Form zu finden.
Wobei Olafsson seine Programmfolge virtuos gemischt hat: Die Folge der Tonarten bindet die Stücke oft untrennbar aneinander – oder schafft die nötigen Zäsuren, wo die innere Bewegung der Musik kaum eine Unterscheidung zwischen Ancien Régime und Belle Epoque möglich machen würde.

Impressionistische Pastell-Technik

Zudem spielt Olafsson mit einem Sinn für strukturelle Klarheit, die nichts verschwimmen lässt. Auch dort, wo sich – nicht nur bei Debussy – Assoziationen zu impressionistischer Pastell-Technik einstellen, sorgt eine ausgeklügelte Pedalisierung für perfekte Stimmentrennung. Wo perlende Staccati und Leggiero-Spiel verlangt sind – etwa in den Trillern und Ziernoten der „Joyeuse“ und der „Zyklopen“ aus Rameaus D-Dur-Suite –, ist Olafsson ohnehin in seinem Element. Als Arrangeur führt er uns mit einer Einrichtung des Intermezzos aus Rameaus Spätwerk „Les Boréades“ behutsam in die zarteren Stimmungswelten, die danach Debussys „fille aux cheveux de lin“ und (harmonisch ins Offene schweifend) „Ondine“ beschwören, ehe die CD – wie denn auch anders? – mit der „Hommage à Rameau“ schließt.

Faszinierend!



↑DA CAPO