Gerald Moore

1899 - 1987

Er war der Liedbegleiter schlechthin, dezent, im entscheidenden Moment dann doch bestimmend - und als poeta doctus, der nicht nur die Musik, sondern auch die Texte der großen Vokalwerke der Musikgeschichte in- und auswendig kannte, für die Sänger ein idealer Partner. Dietrich Fischer-Dieskau meinte, Moore hätte einen »neuen und einzigartigen Typ des Begleiters« verkörpert.

Gerald Moore arbeitete mit der Creme de la Creme der bedeutenden Lied-Interpreten zusammen, nahm unzählige Schallplatten mit Künstlern wie Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig oder Hans Hotter auf. Seine ersten Erfahrungen sammelte er bereits als Begleiter von Sängern wie Lotte Lehmann oder Kathleen Ferrier. Allein von Schubert hat er an die 500 verschiedene Werke aufgenommen, etliche davon in zahlreichen Versionen. Für die Musik von Hugo Wolf hat er sich besonders eingesetzt.

Gerade die Musik des Liederfürsten Schubert sei, so hat Gerald Moore immer wieder betont, für die Pianisten nur scheinbar einfach zu bewältigen. Zwar könne man als guter Klavierspieler ein Werk wie die Winterreise gewiß vom Blatt spielen, doch in die Tiefe der Musik vorzudringen, könne nur nach intensiver Beschäftigung gelingen. Er kenne »kein einziges Schubert-Lied, das leicht zu spielen« sei.

Moore war freilich nach übereinstimmender Aussage seiner Sänger dazu imstande, auf Zuruf ein Lied auch einmal einen Halb- oder Ganzton tiefer zu spielen, wenn es die Tagesverfassung der Stimme gerade erforderte.

Moore veröffentlichte seine lesenswerten Memoiren unter dem vielsagenden Titel »Bin ich zu laut?« (1963), verriet darin viele kleine Details des Lebens auf dem Podium und in den Garderoben der internationalen Konzerthäuser - aber auch ein wenig Privates: Leser wußten nach der Lektüre, daß Moore kulinarisch am meisten Austern, Mais und Scotch liebte...

Schon von seiner Krankheit gezeichnet, ging Moore Ende der Sechzigerjahre daran, mit Dietrich Fischer-Dieskau sämtliche von einer Männerstimme singbare Lieder Franz Schuberts für ein gigantisches Schallplattenprojekt aufzunehmen, das 1972 abgeschlossen war.

Von den internationalen Konzertpodien hatte sich der Pianist damals längst verabschiedet. Das Galakonzert, das Victoria de los Angeles, Elisabeth Schwarzkopf und Fischer-Dieskau zu seinen Ehren 1967 in der Londoner Royal Festival Hall veranstalteten, ist in die Annalen der Interpretationsgeschichte eingegangen.

Was das Außerordentliche an diesem Künstler war, läßt sich nicht nur anhand der Studioaufnahmen überprüfen, sondern auch an den zahlreichen Livemitschnitten - so brachte Orfeo (unter anderem) die gesamte Reihe der Salzburger Festspiel-Abende auf CD heraus, die Moore im Verein mit Dietrich Fischer-Dieskau gab. Allein die ersten Takte von Schuberts Der Atlas aus dem Schwanengesang (aufgenommen 1956) lassen deutlich werden, daß es hier niemals darum ging, einen Sänger am Klavier »zu begleiten« . . .

↑DA CAPO