Moura Lympany

1916 - 2005

Eine der feinsinnigsten Vertreterinnen der spätesten Generation der romantischen Klavierschule.

Geboren als Mary Gertrude Johnstone, kam das siebenjährige Mädchen in ein belgisches Kloster, wo ihr musikalisches Talent entdeckt und gefördert wurde. Mit neun spielte sie als Studentin des Konservatoriums von Lüttich bereits mehr als fünf Stunden täglich Klavier und bewältigte beide Bände von Bachs »Wohltemperiertem Klavier«. Zurück in London fand sie Aufnahmen in der der Royal Academy of Music und wurde vom Dirigenten Basil Cameron engagiert, das einzige Klavierkonzert, das sie bis dahin auswendig gelernt hatte, öffentlich zu spielen, Mendelssohns Erstes Klavierkonzert (g-Moll) öffentlich zu spielen. Von diesem Auftritt an trug sie den Mädchennamen ihrer Mutter als Künstlernamen.

In der Folge wurde sie zu einem »Kinderstar« im englischen Musikleben und trat regelmäßig auf, auch unter Maestri vom Format eines Thomas Beecham und Henry Wood. Einige Zeit studierte sie in Wien bei Paul Weingarten. 1938 nahm sie am Wettbewerb in Brüssel teil und belegte hinter Emil Gilels Platz II. Artur Rubinstein, einer der Juroren, war so begeistert von Lympany, daß er sie seinem Agenten vermittelte. Eine Europatournee folgte.

Weil Clifford Curzon sich im letzten Moment zurückzog, wurde Lympany die Solistin der britischen Erstaufführung des Klavierkonzerts von Aram Katschaturian, ein Werk, das sie danach für Schallplatten aufnahm und auf Tourneen bekannt machte.

Ein Leben lang engagierte sich Moura Lympany für die zeitgenössische Klaviermusik, spielt neben dem Katschaturian, der zu einem ihrer Paradestücke wurde, auch Werke von Delius oder Britten. Vor allem aber brillierte sie mit Werken von Sergej Rachmaninow, dessen romantischen Ton sie bei aller Virtuosität punktgenau traf. Sie nahm als erste sämtliche Rachmaninow-Préludes für Schallplatte auf.

All ihren Interpretationen eignete eine immense Klangsinnlichkeit. Selbst dort, wo höchste Tastenakrobatik gefordert wird, blieb das Lympanys Markenzeichen: Aufnahmen von heiklen pianistschen Parforce-Touren wie Ernst von Dohnányis Etüde in Des-Dur oder Balakirews Islamey bestätigen das eindrucksvoll. Mag sein, es gibt vorwärtsdrängendere, zwingender Darstellungen von Islamey, aber keine klingt schöner, sonorer, subtiler ausgeleuchtet im Gewebe der Stimmen.

Daß diese Künstlerin auch über eine gehörige Portion Witz verfügte, hört man am besten in ihrer Aufnahme von Saint-Saens' Zweiten Klavierkonzert unter Jean Martinon: Die beiden servieren den Mittelsatz quasi als französisch-charmante Ausgabe eines Mendelssohn-Scherzos. Unwiderstehlich.



↑DA CAPO