Alfred Grünfeld

1852 - 1924

Von den jüdischen Feiertagen halte ich nur die Grünfeld-Konzerte.
Also witzelte man in Jüdisch-Wien der ausgehenden Donaumonarchie. Der Pianist Grünfeld war - nicht nur bei den jüdischen Musikfreunden - eine lebende Legende. »Wenn er einmal danebengegriffen hat, hat er ins Publikum geschaut und gelacht« wußte eine langgediente Konzertbesucherin in den Siebzigerjahren noch zu erzählen. »Danebengegriffen« hat er sicher häufig. Aber das spielte keine Rolle: Grünfelds Charme und seine mitreißende pianistische Fabulierkunst rissen das Publikum hin. Überdies besaß er nicht nur den rechten Geschmack für die kleinen romantischen Piecen, für deren Vortrag er berühmt war. Er spielte nach übereinstimmender Aussage von Kennern auch Bach ohne allzu viel Pedalgebrauch und die Klassiker mit Sinn für formale Entwicklungen. Was bezauberte, war jedenfalls durchwegs sein Klangsinn und der Farbenreichtum seiner Anschlagpalette. Wenn es einen wienerischen Pianisten gegeben hat, der diesen Namen verdiente, war er es: »Er verkörperte Wien«, bekannte Rudolf Serkin, der große Analytiker unter den Pianisten seiner Generation, der Grünfeld seinen Karrierestart verdankte: Der Ältere hatte den Achtjährigen Serkin bei einem Konzert in Pilsen gehört und sofort zu Richard Robert nach Wien vermittelt...

↑DA CAPO