Pierre-Laurent AIMARD
Im Gespräch, Sommer 2014
Im Gespräch. Der Pianist Pierre-Laurent Aimard verriet viel über seine künstlerische Persönlichkeit, als er im Festspiesommer 2014 über sein Bach-Projekt erzählte und erklärte, wie man sich von 34 mal 24 Präludien und Fugen erholt: bei Uraufführungen und Raritäten!
Pierre-Laurent Aimard spielt 34 Mal die 24 Präludien und Fugen des ersten Bandes von Johann Sebastian Bachs "Wohltemperiertem Klavier" während der kommenden Spielzeit. "Ein paar Ausnahmen gönne ich mir", sagt der Pianist vor seinem Salzburger Festspielkonzert im "Presse"-Gespräch, "vor allem, wenn Veranstalter das wünschen."
Wien wird so eine Ausnahme sein. Da gibt es am 18. November im Musikverein eine wohltemperierte Auswahl, gekoppelt mit Werken, die jeweils in Fugen gipfeln: Beethovens As-Dur-Sonate op. 110 und den Händel-Variationen von Brahms. Die Aufführung des gesamten ersten Bach-Bandes am 21. Juli im Mozarteum ist "der dritte von den 34 Durchläufen", erzählt Aimard.
Die immense Anstrengung, die eine Gesamtaufführung dieses Sammelbandes bedeutet, gehört zu den besonderen Herausforderungen, denen man sich in einem Pianistenleben stellen kann: "Es ist für mich eine innere Notwendigkeit. Ich habe mir ein Dreivierteljahr zur Vorbereitung freigenommen. Ich wollte keinen präzisen Zeitplan machen, wann ich was einzustudieren habe. Wenn eine der Fugen drei Tage am Stück verlangt, dann bekommt sie drei konzentrierte Tage."
Erschlossen hat sich Aimard damit, wie er sagt, "eine schier grenzenlose Welt", in die er seine Hörer gern mittels pausenloser Aufführung entführt hätte. "Davon bin ich aber nach privaten Feldversuchen wieder abgekommen. Die Freunde haben mir alle dazu geraten, eine Pause zu machen. Ich möchte die Gesamtarchitektur erlebbar machen."
Wie schon anlässlich seines ersten integralen Bach-Unternehmens, der "Kunst der Fuge", die "noch konsequenter nach einem großen architektonischen Plan gearbeitet ist als das ,Wohltemperierte Klavier I'", in dem es allerdings auch bemerkenswerte statische Verstrebungen und Beziehungsspiele gibt: "Die Textur wird, trotz des geradezu theatralischen Sinns für Spannung und Entspannung, mit fortschreitender Entwicklung immer dichter - und Wegmarken werden gesetzt: So bereitet sich die chromatisch sozusagen ganzheitliche Welt der Schlussfuge mit ihrem Thema, das aus allen zwölf Tönen der Skala besteht, in der zentralen f-Moll-Fuge bereits vor. Sie ist auch extrem chromatisiert, enthält im Thema aber noch nicht alle Skalentöne . . ."
Was an der Gesamtheit der 24 Präludien und Fugen besticht, ist "der immense Reichtum an verschiedensten Formen und Stimmungen, die Bach beschwört. Da finden sich anmutige Tänze neben strengsten kontrapunktischen Konstrukten, eine französische Ouvertüre neben einer freien Fantasie, eine beschwingte Gigue neben einem schon damals altertümelnden Ricercare."
Langweilig wird das daher nie, meint der Künstler, der sich für die Vielfalt im Detail ebenso begeistern kann wie für die sozusagen statischen Verstrebungen mittels subtiler Querbeziehungen: Von C-Dur ausgehend erschließt Bach auf einem damals zukunftsweisend "wohltemperiert" gestimmten Tasteninstrument die neue Welt aller im Quintenzirkel möglichen Dur- und Molltonarten. Einige waren in der "reinen" Stimmung völlig unmöglich, weil sich mit der Entfernung von C-Dur die Intervallverhältnisse ins unangenehm Dissonierende bewegen.
"Toll ist", sagt Aimard, "was Bach dann zum Beispiel mit Fis-Dur, einer zuvor völlig undenkbaren Tonart, macht: Da schreibt er plötzlich geradezu leichtgewichtige, unterhaltende Musik, obwohl - oder gerade weil - sich da eine neue Welt auftut."
Im Gegensatz dazu verdichtet sich gegen Ende die Faktur: "Schon wenn wir die Präludien miteinander vergleichen, sehen wir am Beginn das locker improvisatorische C-Dur-Stück, ein harmloses Spiel, wie ein Abtasten der Tonart, ein paar Harmonien zum Aufwärmen der Hände. Am Ende der Reihe steht dann das h-Moll-Präludium, eine veritable Triosonate, wohl inspiriert von Corelli, aber so persönlich, so intensiv im Ausdruck."
Da ist der Kreis dann ausgeschritten - Pianist und Zuhörer sind eine intellektuelle und sinnliche Erfahrung reicher.
Aimard "erholt" sich von der Anstrengung, wie das seine Art ist, indem er seine Solo-Auftritte mit Orchestern vielgestaltig anlegt: Unter anderem musiziert er in München die Uraufführung eines Klavierkonzerts von Sir Harrison Birtwistle, Neues von Lachenmann, Dvoraks rares, romantisches Klavierkonzert, und, im Wiener Konzerthaus, Ravels Konzert "für die linke Hand". "Und nächsten Juni leiste ich mir wie jedes Jahr beim Festival von Aldeburgh ein paar fantasievolle Ausritte." Das "Wohltemperierte Klavier" führt Pierre-Laurent Aimard aber in den kommenden Monaten immer im Gepäck mit.
Pierre-Laurent Aimard spielt 34 Mal die 24 Präludien und Fugen des ersten Bandes von Johann Sebastian Bachs "Wohltemperiertem Klavier" während der kommenden Spielzeit. "Ein paar Ausnahmen gönne ich mir", sagt der Pianist vor seinem Salzburger Festspielkonzert im "Presse"-Gespräch, "vor allem, wenn Veranstalter das wünschen."
Wien wird so eine Ausnahme sein. Da gibt es am 18. November im Musikverein eine wohltemperierte Auswahl, gekoppelt mit Werken, die jeweils in Fugen gipfeln: Beethovens As-Dur-Sonate op. 110 und den Händel-Variationen von Brahms. Die Aufführung des gesamten ersten Bach-Bandes am 21. Juli im Mozarteum ist "der dritte von den 34 Durchläufen", erzählt Aimard.
Die immense Anstrengung, die eine Gesamtaufführung dieses Sammelbandes bedeutet, gehört zu den besonderen Herausforderungen, denen man sich in einem Pianistenleben stellen kann: "Es ist für mich eine innere Notwendigkeit. Ich habe mir ein Dreivierteljahr zur Vorbereitung freigenommen. Ich wollte keinen präzisen Zeitplan machen, wann ich was einzustudieren habe. Wenn eine der Fugen drei Tage am Stück verlangt, dann bekommt sie drei konzentrierte Tage."
Erschlossen hat sich Aimard damit, wie er sagt, "eine schier grenzenlose Welt", in die er seine Hörer gern mittels pausenloser Aufführung entführt hätte. "Davon bin ich aber nach privaten Feldversuchen wieder abgekommen. Die Freunde haben mir alle dazu geraten, eine Pause zu machen. Ich möchte die Gesamtarchitektur erlebbar machen."
Wie schon anlässlich seines ersten integralen Bach-Unternehmens, der "Kunst der Fuge", die "noch konsequenter nach einem großen architektonischen Plan gearbeitet ist als das ,Wohltemperierte Klavier I'", in dem es allerdings auch bemerkenswerte statische Verstrebungen und Beziehungsspiele gibt: "Die Textur wird, trotz des geradezu theatralischen Sinns für Spannung und Entspannung, mit fortschreitender Entwicklung immer dichter - und Wegmarken werden gesetzt: So bereitet sich die chromatisch sozusagen ganzheitliche Welt der Schlussfuge mit ihrem Thema, das aus allen zwölf Tönen der Skala besteht, in der zentralen f-Moll-Fuge bereits vor. Sie ist auch extrem chromatisiert, enthält im Thema aber noch nicht alle Skalentöne . . ."
Was an der Gesamtheit der 24 Präludien und Fugen besticht, ist "der immense Reichtum an verschiedensten Formen und Stimmungen, die Bach beschwört. Da finden sich anmutige Tänze neben strengsten kontrapunktischen Konstrukten, eine französische Ouvertüre neben einer freien Fantasie, eine beschwingte Gigue neben einem schon damals altertümelnden Ricercare."
Langweilig wird das daher nie, meint der Künstler, der sich für die Vielfalt im Detail ebenso begeistern kann wie für die sozusagen statischen Verstrebungen mittels subtiler Querbeziehungen: Von C-Dur ausgehend erschließt Bach auf einem damals zukunftsweisend "wohltemperiert" gestimmten Tasteninstrument die neue Welt aller im Quintenzirkel möglichen Dur- und Molltonarten. Einige waren in der "reinen" Stimmung völlig unmöglich, weil sich mit der Entfernung von C-Dur die Intervallverhältnisse ins unangenehm Dissonierende bewegen.
"Toll ist", sagt Aimard, "was Bach dann zum Beispiel mit Fis-Dur, einer zuvor völlig undenkbaren Tonart, macht: Da schreibt er plötzlich geradezu leichtgewichtige, unterhaltende Musik, obwohl - oder gerade weil - sich da eine neue Welt auftut."
Im Gegensatz dazu verdichtet sich gegen Ende die Faktur: "Schon wenn wir die Präludien miteinander vergleichen, sehen wir am Beginn das locker improvisatorische C-Dur-Stück, ein harmloses Spiel, wie ein Abtasten der Tonart, ein paar Harmonien zum Aufwärmen der Hände. Am Ende der Reihe steht dann das h-Moll-Präludium, eine veritable Triosonate, wohl inspiriert von Corelli, aber so persönlich, so intensiv im Ausdruck."
Da ist der Kreis dann ausgeschritten - Pianist und Zuhörer sind eine intellektuelle und sinnliche Erfahrung reicher.
Aimard "erholt" sich von der Anstrengung, wie das seine Art ist, indem er seine Solo-Auftritte mit Orchestern vielgestaltig anlegt: Unter anderem musiziert er in München die Uraufführung eines Klavierkonzerts von Sir Harrison Birtwistle, Neues von Lachenmann, Dvoraks rares, romantisches Klavierkonzert, und, im Wiener Konzerthaus, Ravels Konzert "für die linke Hand". "Und nächsten Juni leiste ich mir wie jedes Jahr beim Festival von Aldeburgh ein paar fantasievolle Ausritte." Das "Wohltemperierte Klavier" führt Pierre-Laurent Aimard aber in den kommenden Monaten immer im Gepäck mit.