Aus Polen gebürtig, kannte die Musikwelt ihn als Meister des makellosen Geigentons und als Botschafter »seines« Landes: Mexiko.
Der Weg zum musikalischen Ruhm war mindestens ebenso weit wie der in seine Wahlheimat. Dabei hatte die Karriere Henryk Szeryngs, der im Geburtsort Frédéric Chopins zur Welt gekommen war, brillant begonnen. Huberman hatte den Achtjährigen gehört, als er das Mendelssohn-Konzert spielte und ihn nach Berlin empfohlen. Mit Carl Flesch und Jacques Thibaud hatte Szeryng prominente Lehrer, die auch für ihn einstanden: Er war erst 14 Jahre alt, als er in Warschau mit dem Brahms-Violinkonzert offiziell debütierte.
Von da an galt er als einer der Hoffnungsträger des polnischen Musiker-Nachwuchses, ging nach Paris, um an der Sorbonne zu studieren. Doch als Szeryng Einundzwanzig war, überfielen die Deutschen Polen und er mußte seine Heimat endgültig fliehen. Es zog ihn in die Politik, genauer: in die Verusche, im Exil eine polnische Regierung aufrecht zu erhalten. An der Seite des Exil-Premierministers Sikorski verschlug es den Dolmetscher und Verbindungsoffizier Szeryng schließlich von London nach Mexiko. Dieses Land lernte er lieben. Seine musikalischen Ambitionen hatte er ad acta gelegt, als er nach einem Gastspiel Artur Rubinsteins ins Künstlerzimmer ging, um dem Pianisten seiner Hochachtung zu versichern. Im Dialog erkannte Rubinstein das offenkundige musikalische Wissen Szeryngs und erkundigte sich nach seinen einschlägigen Hintergründen.
Tags darauf packte Szeryng seine Geige und begab sich in Rubinsteins Hotel, um dem prominenten Landsmann vorzuspielen.
Damit legte er den Grundstein zu seiner weiteren Laufbahn. Rubinstein zögerte keinen Moment, sich für Szeryng einzusetzen und musizierte mit ihm regelmäßig - was bald auch zu einer fruchtbaren künstlerischer Beziehung im Schallplatten-Studio führte.
Die FÜnfziger- und Sechzigerjahre wurden zu Szeryngs Hochzeit. Die Dirigenten Charles Munch und Pierre Monteu engagieten den geigenden mexikanischen »Sonderbotschafter« regelmäßig. Legendären Konzertauftritten folgten ebenso legendäre Aufnahmesitzungen im Schallplattenstudio. Die Einspielung des Brahms-Violinkonzerts mit Monteux und dem London Symphony Orchestra wurde ein Aufnahme-Klassiker.
Der makellose Ton, die Leuchtkraft, die brillant-eloquente Artikulation machten sein Spiel unverwechselbar - vor der Reinheit und Sicherheit seiner Bach-Interpretationen verbeugen sich Geiger noch Jahrzehnte später (zuletzt schwärmte Hilary Hahn davon.)
Neben den Studio-Aufnahmen sind von Szeryng auch Rundfunkproduktionen erhalten, unter denen sich einige zwingende Sammlerstücke finden wie die Einspielung des Beethoven-Violinkonzerts mit dem SWR-Orchester unter Ernest Bour von 1956, die mit einer Sicherheit und Tonschönheit musiziert ist, daß beim Hörer trotz des etwas lahmenden Dirigats niemals die Spannung abreißt: Der erste Satz gipfelt in einer Kadenz, deren souveräne Beherrschung zum Staunenerregendsten gehört, was ein Geiger im Studio realisiert hat.