Er war der »deutsche Geiger« par excellence, der in Deutschland aber ab 1933 unerwünscht war. Noch als Teenager hatte er Publikum und Kritik als einer der ersten Virtuosen seiner Zeit verblüfft, der - vor allem - zu einer ihrer tiefgründigen Musikpersönlichkeiten heranreifen sollte. 1917 schon berief man Busch auf die Professorenstelle an der Berliner Musikhochschule, die vor ihm Joseph Joachim und Henri Marteau innegehabt hatten.
Den Einstand des Solisten Adolf Busch markierte ein mutig programmierter Solo-Abend, bei dem der 17-Jährige nebst selbstkomponierten Schubert-Variationen die Violinkonzerte von Beethoven und Reger spielte - ein nicht nur technisch und kräftemäßig, sondern auch intellektuell kühnes Unterfangen, dem aber die Hörer, wie die Rezensenten zu berichten wußten, vom ersten bis zum letzten Ton gebannt lauschten.
Die Buschs waren eine musikalische Familie. Der Vater hatte es vom Tischler zum Geigenbauer gebracht und spielte als Hobby-Geiger abendlich in verschiedenen Etablissements zum Tanz auf. Seinen Kindern sicherte er eine grundlegende musikalische Ausbildung. Immerhin brachte es Hermann zum mehr als soliden Cellisten, der auch im Streichquartett von Bruder Adolf spielte, Fritz wurde einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit.
Adolf war das Geigerwunder, das Weltkarriere machte, aber ab Mitte der Dreißigerjahre ins Exil gezwungen war, wo er - paradox genug - mit einem weiteren Exilanten die deutsche Musizierkunst hoch hielt: Das Duo, das er mit dem Pianisten Rudolf Serkin bildete, schrieb Aufnahmegeschichte. Serkin, der Busch stilistisch viel verdankte, wurde sein Schwiegersohn und gründete mit ihm 1950 das Kammermusikfestival von Marlboro.
In Amerika verkehrten sich die Rollen: War Busch in der europäischen Zeit des Duos die führende Kraft, so wurde Serkin in den USA bald der populärere der beiden. Busch verzeifelte über den amerikanischen Vermarktungsgewohnheiten und dem Geschmack des Publikums, das an die hochgezüchtete Virtuosität eines Jascha Heifetz gewohnt war. 1941 schrieb Busch über seine und Serkins Chancen in den USA:
Es ist schwer für mich, mit meiner Art Musik zu machen. Rudi (als Pianist) hat es leichter. Die Leute haben hier noch nicht ganz begriffen, daß man Violine spielen kann, um Musik zu machen und nicht einfach, um zu zeigen, daß man Geige spielen kann.
In diesem Land, so klagte der Künstler ein Jahr danach einer Freundin, sei alles auf Größe angelegt.
Sie haben die größten Häuser, die größten Konzertsäle, die größten Orchester (und auch die besten), die größten Virtuosen...
Für seine geliebte Kammermusik sei in den USA kein Platz.
Dennoch widmete sich Busch seiner Leidenschaft weiterhin mit Hingabe. Da Serkin wegen seiner Solo-Aufgaben immer weniger Zeit hatte, arbeitete er gern auch mit Serkins Schüler Eugene Istomin, aber auch mit Mieczyslaw Horszowski zusammen. Es war ein Duoabend mit Rudolf Serkin, bei dem Busch eine Herzattacke erlitt. Nach der ersten Sonate hatte der Geiger im Künstlerzimmer geklagt, seine rechte Hand sei zu wenig durchblutet. »Da er aber gut gespielt hatte, schob ich alles auf seine Nervosität« meinte Serkin später. Auch die folgende Sonate lief blendend, aber Busch ließ in der Pause einen Arzt aus dem Publikum rufen, der ihm sofort jeden weiteren Auftritt untersagte und ihn ins Spital einwies. Serkin spielte statt des angekündigten Werks die Appassionata - » man kann sich denken, mit welchen Gefühlen«
Obwohl sich Busch von der Attacke erholen konnte, lag ein Schatten über den folgenden Jahren. Die Rückkehr nach Europa verlief traurig unspektakulär wie jene von Bruder Fritz. Beide konnten an frühere Erfolge in Europa nicht mehr anschließen, jedenfalls nicht auf jenem Niveau der hohen Aufmerksamkeit, das für sie vor 1933 selbstverständlich gewesen war. Doch schrieb Willi Schuh über Adolf Busch in seinem Nachruf, dahingegangen sei 99
der bedeutendste Geiger seiner Generation.
Zeitlebens hat sich Adolf Busch nicht nur um das sogenannte »große Repertoire« gekümmert - wir besitzen nicht viele Tondokumente von seinen Darstellungen der gängigen Violinkonzerte! - sondern auch um Vernachläßigtes, von dem er zutiefst überzeugt war. Dazu gehörte das Violinkonzert von Ferruccio Busoni, das er unter anderem mit Bruno Walter in Amsterdam aufgeführt hat. Womit eine tontechnisch zwar mangelhafte, interpretatorisch aber exzellente, analytisch wie musikantisch wirklich befriedigende Aufnahme dieses heikel auszubalancierenden Stücks greifbar ist.
Vom legendären Busch-Quartett mit Gösta Andreasson, Karl Doktor und Buschs Bruder Hermann am Cello gibt es große Aufnahmen - zum Teil in Livemitschnitten - von klassischem und romantischem Repertoire. Herausragend etwa die Brahms-Quartette, die eine singuläre Einspielung des Klavierquintetts mit Rudolf Serkin ergänzt. Hörenswert auch Schuberts Der Tod und das Mädchen, ein Musterbeispiel dafür, wie man Dramatik quasi von innen heraus durch Tongebung, Artikulation, nicht durch Tempo erreicht. Allein die ersten Takte lassen hören, wie die vier Musiker, klanglich äußerst homogen, eine breite Palette an Ausdrucksmöglichkeiten zu einer innerlich zusammenhängenden Phrase binden, deren Schubkraft die Bewegungsenergie für das Folgende generiert: Der Spannungsbogen reißt niemals ab, die Tempodramaturgie zielt in sanften Modifikationen auf große Dimensionen, nicht auf kurzfristigen Effekt.