Jeffrey TATE
1943 - 2017
Von Geburt an behindert, studierter Mediziner, bald weltbekannter Musiker, von der Queen zum Ritter geschlagen.
Seine Karriere hätte nicht untypischer verlaufen können: Dass man ihn zum Ritter schlagen würde, hätte sich Jeffrey Tate, 1943 in Salisbury geboren, jedenfalls nicht träumen lassen. Von Geburt an war er durch eine Krümmung der Wirbelsäule behindert, hat aber Medizin studiert und ließ sich zum Augenarzt ausbilden. Doch galt seine wahre Leidenschaft der Musik.
Als man ihm die Chance bot, am London Opera Centre zu studieren, ließ er die medizinische Karriere sein und machte sein Hobby zum Beruf. Seine eminente Begabung, mit Sängern zu arbeiten, entdeckte niemand Geringerer als Herbert von Karajan, der den jungen Engländer zu seinem Assistenten machte.
Das war die willkommene Visitenkarte für Tate, der 1976 zum engsten Führungsteam des Bayreuther »Jahrhundertrings« avancierte. Mit Pierre Boulez studierte er die legendäre Chereau-Produktion musikalisch ein. Parallel dazu begann bereits seine eigene Dirigenten-Karriere, die ihn an viele bedeutende Opernhäuser und zu Orchestern wie London Symphony, Cleveland oder den Berliner Philharmonikern führte.
In der Oper wie auf dem Konzertpodium kam Tate die Tatsache zugute, dass er sein Handwerk wirklich von der Pike auf gelernt hatte und durch keine kleineren oder größeren Unfälle des Betriebs aus der Ruhe zu bringen war. Als gediegenen Könner schätzte man ihn daher weltweit.
Paris vertraute Tate eine der heikelsten Aufgaben an: Dank seiner einschlägigen Erfahrung schien er der rechte Mann, in der Stadt an der Seine die erste Gesamtaufführung von Richard Wagners "Ring"-Tetralogie nach dem Zweiten Weltkrieg einzustudieren.
Dass er den »Ring« 2014 - im Gefolge seines späten Debüts mit Strauss' Ariadne auf Naxos - auch einmal an der Wiener Staatsoper dirigiert hatte, empfand er selbst als einen besonderen Moment in seiner Karriere. In Salzburg hatte ihm Karajan, der ihn gern für seine Mozart-Aufführungen ans Cembalo bat, die Uraufführung von Hans Werner Henzes Neufassung von Monteverdis Ritorno d'Ulisse anvertraut.
Es schien ganz selbstverständlich, dass Tate, der in seinen Anfängen gegen enorme Widerstände und Widrigkeiten anzukämpfen hatte, seine Erfahrungen mit Freude an junge Musikbegeisterte weitergab. Seine letzten Auftritte galten Konzerten mit Studenten in Bozen und Trient - und einem Werk des Abschieds: Mahlers Neunter Symphonie.
Doch hat der Künstler noch keineswegs ans Abschiednehmen gedacht. Erst im April 2017 war er für seine Verdienste um die britische Musik zum Knight Bachelor nobilitiert worden. Er starb am 2. Juni desselben Jahres in Bergamo.