So machen sie's nur an der Wien
»Così fan tutte«, Oktober 1994
Eine Sternstunde
wienerischer Opernkultur: die Premiere von Mozarts »Così fan tutte«. Den tosenden Applaus teilten sich gerecht der Dirigent, der Regisseur, das Orchester, das junge Sängerensemble - und das Theater an der Wien.
Das Haus, das man seit Jahren für die Oper urgiert und das die Stadtverwaltung dieser beharrlich verweigert, war nicht unbeträchtlich beteiligt am sensationellen Erfolg. Es ist akustisch und optisch der ideale Rahmen für Opern dieses Genres; nicht zu groß vor allem, sodaß die Intimität der Mozartschen Komödiantik - der verspielten wie der in »Così fan tutte« so bedeutsamen melancholischen und tragischen erhalten bleibt; nicht zu groß auch, daß weniger gewaltige, sensiblere Stimmen (und wer wünschte sich für diese Musik andere als solche) ohne zu forcieren, ihren ganzen Zauber entfalten können.
Ist Zauber, angesichts der Legende, gegen die ein junges Sängerensemble gerade in diesem Ambiente anzusingen hat, ein blasphemisches Wort? In vorangegangenen Versuchen, Mozart mit Festwochenhilfe ins Theater an der Wien frisch zu pflanzen, scheiterte die Staatsoper hin und wieder an verstiegenen Regiekonzepten und fast durchwegs an der allseits beschworenen internationalen Stimmkrise. Auch Stars, lernte man da, können nicht mehr stilsicher Mozart singen.
Seit Sonntag weiß man's anders. Es ist nur eine Frage, welche Kräfte man für eine Produktion auswählt. Die Staatsoper hat sechs junge Stimmen gefunden, die das Publikum für vier Stunden glauben machten, eine Krise des Mozartgesangs wäre nie und nimmer ausgebrochen.
Die »Così«-Besetzung sang und agierte, als wäre die vielbetrauerte Wiener Ensemblekultur nie hingesunken, als stünden sie in einer guten, ungebrochenen Tradition. Da war für kurze Zeit ein Traum wahr geworden, das D'ej`a-vu-Erlebnis einer künstlerischen Gesamtleistung, die von exzellenten Kräften so eines Sinnes getragen wird, daß kein kleiner stimmlicher Sopran-Kratzer, keine tenorale Nervosität das in sich stimmige, harmonische Ganze aus Szene und Musik trüben konnte.
Und, was noch viel wichtiger ist, im Duett mit Ferrando, das den Teufelspakt Don Alfonsos - einem Jago gleich bösartig und intrigant inkarniert von Alessandro Corbelli - endgültig besiegelt, findet sie zu einer vokalen Ausdruckspalette, die weit über alle Charakterisierungskünste erhaben ist, die man in Wien bei Mozart zuletzt im besten Fall erwarten durfte: Die Standfestigkeit, im ersten Akt noch wirklich »wie ein Felsen« und glaubhaft, muß sich die Verwirrte zuletzt schon mit übertriebener Geste selbst suggerieren.
Unter den Pianophrasen des neuen Liebhabers Michael Schade - wann hat man zuletzt einen so stilsicheren, von traumhaften Modulationen gefärbten Mozarttenor gehört? schmilzt sie wie Wachs dahin. Der gesanglich-dramaturgische Ambitus der Szene reicht von der Pose über die Zerbrechlichkeit bis zur ekstatischen Koloratur.
Aus solchem Stoff ist dramaturgische Glaubwürdigkeit, gestützt durch die sensible, oft amüsante, immer hintergründige Personenführung Roberto de Simones und ein philharmonisches Orchester, das unter Riccardo Mutis Händen nicht nur Feuer und Leidenschaft, sondern auch alle erdenklichen Seelenregungen in leisen, allerleisesten Tönen aus der Partitur filtert. Jedes Detail, vom melancholischen Klarinettensolo, das selbstvergessen Ferrandos zweite Arie verwehen läßt, bis zur wahrhaft unerhörten Bratschenkantilene, die das Abschiedsquintett zum ahnungsvollen Requiem auf die menschliche Zweierbeziehung veredelt.
Mauro Carosi und Odette Nicoletti haben den Mozartzauber farbenprächtig und ganz nach dem Vorbild der arkadisch-idealistischen Landschaftsmalerei der Mozartzeit ausgestattet. Die Sänger - auch das allzeit losere, kokettere Pärchen, Vesselina Kasarova und Boje Skovhus, und die umwerfend energiegeladene Cecilia Bartoli, deren patenter Dienstmädchen-Habitus vergessen macht, daß ihr die Despina eigentlich zu hoch liegen müßte - fügen sich darein wie lebendig gewordene gemalte Allegorien von Schönheit und Tugend.
Idealistisch ist wohl nur, wer meint, eine solche Produktion müßte doch die städtischen Wortführer davon übezeugen, daß es dem Ruf Wiens als Kulturstadt förderlicher sein könnte, Besucher eher mit einer solchen Mozart-Aufführung zu konfrontieren als mit international standardisierter Musical-Massenware. Und wie groß wäre die Überraschung, wenn diese »Così fan tutte«, die keinen Vergleich, auch den mit der Vergangenheit, zu scheuen braucht, weil sie tatsächlich singulär und so nur im Theater an der Wien möglich ist, keines Bustransfers bedürfte; weil das Publikum von selber käme?
Das Haus, das man seit Jahren für die Oper urgiert und das die Stadtverwaltung dieser beharrlich verweigert, war nicht unbeträchtlich beteiligt am sensationellen Erfolg. Es ist akustisch und optisch der ideale Rahmen für Opern dieses Genres; nicht zu groß vor allem, sodaß die Intimität der Mozartschen Komödiantik - der verspielten wie der in »Così fan tutte« so bedeutsamen melancholischen und tragischen erhalten bleibt; nicht zu groß auch, daß weniger gewaltige, sensiblere Stimmen (und wer wünschte sich für diese Musik andere als solche) ohne zu forcieren, ihren ganzen Zauber entfalten können.
Ist Zauber, angesichts der Legende, gegen die ein junges Sängerensemble gerade in diesem Ambiente anzusingen hat, ein blasphemisches Wort? In vorangegangenen Versuchen, Mozart mit Festwochenhilfe ins Theater an der Wien frisch zu pflanzen, scheiterte die Staatsoper hin und wieder an verstiegenen Regiekonzepten und fast durchwegs an der allseits beschworenen internationalen Stimmkrise. Auch Stars, lernte man da, können nicht mehr stilsicher Mozart singen.
Seit Sonntag weiß man's anders. Es ist nur eine Frage, welche Kräfte man für eine Produktion auswählt. Die Staatsoper hat sechs junge Stimmen gefunden, die das Publikum für vier Stunden glauben machten, eine Krise des Mozartgesangs wäre nie und nimmer ausgebrochen.
Die »Così«-Besetzung sang und agierte, als wäre die vielbetrauerte Wiener Ensemblekultur nie hingesunken, als stünden sie in einer guten, ungebrochenen Tradition. Da war für kurze Zeit ein Traum wahr geworden, das D'ej`a-vu-Erlebnis einer künstlerischen Gesamtleistung, die von exzellenten Kräften so eines Sinnes getragen wird, daß kein kleiner stimmlicher Sopran-Kratzer, keine tenorale Nervosität das in sich stimmige, harmonische Ganze aus Szene und Musik trüben konnte.
Zerbrechlichkeit, Ekstase
Mag einer Barbara Fritolli vorwerfen, sie könnte vis-`a-vis der Strapazen von Fiordiligis »Felsenarie« noch eine Nuance souveräner wirken? Das Rondo, nicht minder schwer, sang sie makellos.Und, was noch viel wichtiger ist, im Duett mit Ferrando, das den Teufelspakt Don Alfonsos - einem Jago gleich bösartig und intrigant inkarniert von Alessandro Corbelli - endgültig besiegelt, findet sie zu einer vokalen Ausdruckspalette, die weit über alle Charakterisierungskünste erhaben ist, die man in Wien bei Mozart zuletzt im besten Fall erwarten durfte: Die Standfestigkeit, im ersten Akt noch wirklich »wie ein Felsen« und glaubhaft, muß sich die Verwirrte zuletzt schon mit übertriebener Geste selbst suggerieren.
Unter den Pianophrasen des neuen Liebhabers Michael Schade - wann hat man zuletzt einen so stilsicheren, von traumhaften Modulationen gefärbten Mozarttenor gehört? schmilzt sie wie Wachs dahin. Der gesanglich-dramaturgische Ambitus der Szene reicht von der Pose über die Zerbrechlichkeit bis zur ekstatischen Koloratur.
Aus solchem Stoff ist dramaturgische Glaubwürdigkeit, gestützt durch die sensible, oft amüsante, immer hintergründige Personenführung Roberto de Simones und ein philharmonisches Orchester, das unter Riccardo Mutis Händen nicht nur Feuer und Leidenschaft, sondern auch alle erdenklichen Seelenregungen in leisen, allerleisesten Tönen aus der Partitur filtert. Jedes Detail, vom melancholischen Klarinettensolo, das selbstvergessen Ferrandos zweite Arie verwehen läßt, bis zur wahrhaft unerhörten Bratschenkantilene, die das Abschiedsquintett zum ahnungsvollen Requiem auf die menschliche Zweierbeziehung veredelt.
Mauro Carosi und Odette Nicoletti haben den Mozartzauber farbenprächtig und ganz nach dem Vorbild der arkadisch-idealistischen Landschaftsmalerei der Mozartzeit ausgestattet. Die Sänger - auch das allzeit losere, kokettere Pärchen, Vesselina Kasarova und Boje Skovhus, und die umwerfend energiegeladene Cecilia Bartoli, deren patenter Dienstmädchen-Habitus vergessen macht, daß ihr die Despina eigentlich zu hoch liegen müßte - fügen sich darein wie lebendig gewordene gemalte Allegorien von Schönheit und Tugend.
Geniale Liebesparabel
Das schwarze Finale, in das der Guglielmo alias Skovhus, kurz zuvor noch die Inkarnation des erfolgsverwöhnten Machos, verbittert Gift geträufelt wünscht, erhält so seinen Doppelsinn: Idealistisch ist da nichts in Da Pontes und Mozarts genialer Parabel vom unzulässigen Spiel mit der Liebe. Regie, die von Anbeginn schwarzmalt, nähme der Geschichte die tragische Pointe. Hier wirkt Despinas Entsetzen über den bösen Ausgang des leichtfertigen Spiels glaubhaft.Idealistisch ist wohl nur, wer meint, eine solche Produktion müßte doch die städtischen Wortführer davon übezeugen, daß es dem Ruf Wiens als Kulturstadt förderlicher sein könnte, Besucher eher mit einer solchen Mozart-Aufführung zu konfrontieren als mit international standardisierter Musical-Massenware. Und wie groß wäre die Überraschung, wenn diese »Così fan tutte«, die keinen Vergleich, auch den mit der Vergangenheit, zu scheuen braucht, weil sie tatsächlich singulär und so nur im Theater an der Wien möglich ist, keines Bustransfers bedürfte; weil das Publikum von selber käme?