Historische Bildergalerie
für ein ewiges Rätsel
Mit Glucks "Armida" eröffnete die Mailänder Scala ihre neue Saison prachtvoll. Eine Oper als spärlich bewegte Bildergalerie, mäßig gut gesungen, aber von herrlich sanften Orchesterklängen getragen.
Dezember 1996
Es war die elfte »Inaugurazione« Riccardo Mutis. Der Maestro macht es seinen Landsleuten nicht leicht, ihn zu lieben.
Bisher hat er am traditionell glamourösen 7. Dezember noch nie Puccini dirigiert, nur dreimal Verdi, einmal Rossini, aber viel Mozart, Wagner - und jetzt auch noch dieses ausführliche Musikdrama von Gluck, aus dem sich der Durchschnittshörer womöglich weniger Melodien merkt als aus dem Parsifal.
Armida ist schwere Kost; nicht nur für Zobelträgerinnen, die in Mailand auf die Eröffnung abonniert sind. Zwar ist Gluck als großer Reformator in die Musikgeschichte eingegangen.
Aber so sehr er auch allen barocken Manieren und falschen virtuosen Verzierungen den Garaus gemacht hat, den subjektiven Ton, der zur »Vermenschlichung« der Oper führte, den hat erst Mozart eingebracht.
Glucks Opern verweisen moderne Ohren in jenes Genre zurück, wo sie wurzeln, und das sie zu überwinden mitgeholfen haben. Da tönt noch barocke Repräsentationslust, entschlackt zwar, aber doch.
In Wien und Berlin fehlte es zuletzt nicht an Versuchen, dem durch modernistische Optik entgegenzuwirken.
Allein, auch Achim Freyers Bilderwelt brachte niemals Aufklärung, hat unsere Sprachlosigkeit gegenüber Glucks Tönen nur zeitgemäß ausstaffiert. Deren Rätsel sind dem Hörer am Ende des XX. Jahrhunderts so unentzifferbar wie die Ikonographie barocker Prachtgemälde.
Man steht vor tausend Zeichen, begreift jedoch nur deren luxuriöse Verkleidung.
Pizzis Gemäldegalerie ist echt, nicht mit Talmiglanz gefälscht. Das Schlußtableau, der brennende Palast, von roten und schwarzen Stoffbahnen sukzessive verhüllt, hätte jedem La Roche anno 1750 zur Ehre gereicht!
In diesem Ambiente ließe sich Glucks Drama stilecht erleben.
Riccardo Muti findet auch den rechten Ton mit Chor und Orchester der Scala. Fein differenziert und mit subtilster Pianokultur bringt er die unerhört vielschichtigen Farbwerte der Partitur zum Leuchten, Glitzern, Murmeln und Flüstern. Könnten ihm die Sänger auf diesem Wege auch nur annähernd folgen, die Premiere wäre das erregende, glanzvolle Ereignis gewesen, als das sie gefeiert wurde.
Freilich: Vinson Cole als Kreuzritter Renaud verlor bald nach seinem in lupenreinem Piano absolvierten Auftritt die Kraft zu weiteren - und vor allem differenzierten - vokalen Heldentaten und entzog sich den enormen Anforderungen seiner Partie zuletzt mit durchdringenden Falstaff-Tönen.
Anna Caterina Antonacci ist aus ähnlichen Gründen der Titelrolle nicht gewachsen. Sie steht sie durch, mehr nicht. Das reicht für vier Stunden, in der Schicksale begreifbar gemacht sein wollen, nicht aus.
Auch die übrige Besetzung übte sich in vokaler Unauffälligkeit.
Keine prägnante Stimme.
Kein Charakter, Primaballerina Alessandra Ferri ausgenommen. Dabei wäre das Aufeinanderprallen von Staatsräson und Liebe, realen und "gezauberten" Leidenschaften Stoff genug für dramatische Effekte. Gluck lieferte gutes Material.
Das müßten Interpreten nützen.
Muti tut es.
Seine Sänger nicht.
So blieb es beim luxuriösen Bilderbogen.
Bisher hat er am traditionell glamourösen 7. Dezember noch nie Puccini dirigiert, nur dreimal Verdi, einmal Rossini, aber viel Mozart, Wagner - und jetzt auch noch dieses ausführliche Musikdrama von Gluck, aus dem sich der Durchschnittshörer womöglich weniger Melodien merkt als aus dem Parsifal.
Armida ist schwere Kost; nicht nur für Zobelträgerinnen, die in Mailand auf die Eröffnung abonniert sind. Zwar ist Gluck als großer Reformator in die Musikgeschichte eingegangen.
Aber so sehr er auch allen barocken Manieren und falschen virtuosen Verzierungen den Garaus gemacht hat, den subjektiven Ton, der zur »Vermenschlichung« der Oper führte, den hat erst Mozart eingebracht.
Glucks Opern verweisen moderne Ohren in jenes Genre zurück, wo sie wurzeln, und das sie zu überwinden mitgeholfen haben. Da tönt noch barocke Repräsentationslust, entschlackt zwar, aber doch.
In Wien und Berlin fehlte es zuletzt nicht an Versuchen, dem durch modernistische Optik entgegenzuwirken.
Allein, auch Achim Freyers Bilderwelt brachte niemals Aufklärung, hat unsere Sprachlosigkeit gegenüber Glucks Tönen nur zeitgemäß ausstaffiert. Deren Rätsel sind dem Hörer am Ende des XX. Jahrhunderts so unentzifferbar wie die Ikonographie barocker Prachtgemälde.
Man steht vor tausend Zeichen, begreift jedoch nur deren luxuriöse Verkleidung.
Azurblau, Purpurrot
Folgerichtig hat Pier Luigi Pizzi für die Mailänder Armida keine modernisierenden Bilder gewählt, sondern bombastische »lebende Gemälde« im Tiepolo-Stil arrangiert. Die rauben dem Betrachter den Atem, sind aber so ungeniert in Azurblau und Purpurrot, mit allem architektonischen Pomp inszeniert, daß es nicht einmal lächerlich wirkt, wenn die siegreiche Zauberin Armida hoch zu Marmorroß, in goldverbrämtem Ornat mit erhobenem Siegschwert als ihr eigenes Denkmal hereingeschoben wird.Pizzis Gemäldegalerie ist echt, nicht mit Talmiglanz gefälscht. Das Schlußtableau, der brennende Palast, von roten und schwarzen Stoffbahnen sukzessive verhüllt, hätte jedem La Roche anno 1750 zur Ehre gereicht!
In diesem Ambiente ließe sich Glucks Drama stilecht erleben.
Riccardo Muti findet auch den rechten Ton mit Chor und Orchester der Scala. Fein differenziert und mit subtilster Pianokultur bringt er die unerhört vielschichtigen Farbwerte der Partitur zum Leuchten, Glitzern, Murmeln und Flüstern. Könnten ihm die Sänger auf diesem Wege auch nur annähernd folgen, die Premiere wäre das erregende, glanzvolle Ereignis gewesen, als das sie gefeiert wurde.
Freilich: Vinson Cole als Kreuzritter Renaud verlor bald nach seinem in lupenreinem Piano absolvierten Auftritt die Kraft zu weiteren - und vor allem differenzierten - vokalen Heldentaten und entzog sich den enormen Anforderungen seiner Partie zuletzt mit durchdringenden Falstaff-Tönen.
Anna Caterina Antonacci ist aus ähnlichen Gründen der Titelrolle nicht gewachsen. Sie steht sie durch, mehr nicht. Das reicht für vier Stunden, in der Schicksale begreifbar gemacht sein wollen, nicht aus.
Auch die übrige Besetzung übte sich in vokaler Unauffälligkeit.
Keine prägnante Stimme.
Kein Charakter, Primaballerina Alessandra Ferri ausgenommen. Dabei wäre das Aufeinanderprallen von Staatsräson und Liebe, realen und "gezauberten" Leidenschaften Stoff genug für dramatische Effekte. Gluck lieferte gutes Material.
Das müßten Interpreten nützen.
Muti tut es.
Seine Sänger nicht.
So blieb es beim luxuriösen Bilderbogen.