James Levine
1943 - 2021
Das Musizieren fiel ihm so leicht - doch zuletzt verdunkelten Mißbrauchsvorwürfe James Levines Erbe an der New Yorker Met. Er hatte das Haus über 40 Jahre lang geprägt.Die Meldungen über die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und der Nötigung werden nun wieder ausgiebig zitiert werden, obwohl sich die Met und Levines Anwälte zuletzt geeinigt hatten und nach einer Abfertigungszahlung Stillschweigen herrschte.
Stillschweigen bewahrte man – nicht nur in New York – seither über den Künstler Levine, dem gerade die Metropolitan Opera so viel zu verdanken hatte. Nun ist James Levine tot. Er erlag einer Krankheit, die ihn seit langem gequält hat: Bereits nach der Jahrtausendwende war er spürbar durch Parkinson beeinträchtigt. Die Met baute für ihn sogar einen aufwendigen Kranmechanismus, die ihn bei seinem Comeback quasi aus der Versenkung an seinen Platz am Dirigentenpult befördern konnte. So leitete der Dirigent seine letzten Vorstellungen – umjubelt wie stets.
James Levine war künstlerisch sein Lebtag erfolgsverwöhnt. Seit seinen Studentenjahren war er von allerersten Köpfen betreut worden. Zunächst galt er als virtuoser Pianist. Er war gerade einmal zehn Jahre als, als er in Cincinnati die rasenden Kaskaden eines Mendelssohn-Klavierkonzerts bewältigte. Und es war niemand Geringerer als Rudolf Serkin, der dem Teenager dann Klavierunterricht gab und ihn in die tiefgründigen Regionen des Musizierens einweihte.
Walter Levin, der legendäre Primgeiger des Lasalle Quartetts, vertraut mit den Finessen der Avantgarde, war Levines Theorielehrer. Und George Szell, weiß Gott nicht leicht zu überzeugen, holte den begabten jungen Mann als Dirigier-Assistenten nach Cleveland. Der Ruhm des so offenkundig talentierten amerikanischen Maestros wuchs nicht nur in den USA rasch. Spätestens als er die Nachfolge Rafael Kubeliks an der Met antrat, war auch Europa auf ihn aufmerksam geworden.
Salzburger Festspiele
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Apropos Mozart. Die Salzburger Festspiele nicht zu vergessen, wo Levine ab Mitte der Siebzigerjahre für mehr als zwei Jahrzehnte jede Saison Opern und Konzerte leitete. Auch davon gibt es Mitschnitte in Fülle – allen voran Dokumente von
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Bayreuth und der Parsifal
Auch bei den Bayreuther Festspielen war Levine vielbeschäftigt. Er studierte den Ring des Nibelungen ein und betreute über Jahre hin die Aufführungen des Parsifal, wobei man ihm unterstellte, er versuche, den legendären Langsamkeits-Rekord Arturo Toscaninis zu brechen, was ihm allerdings nicht gelang.Der Pianist
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Man zieh ihn hie und da der Oberflächlichkeit. Und doch: Wenn Levine dirigierte, war an einem Abend für Spannung garantiert, denn dramatische Steigerungen zu organisieren gelang ihm buchstäblich mit dem kleinen Finger, mochten dabei vielleicht allerhand Details unters Dirigentenpult purzeln, die große Linie stimmte.
New Yorker Prägungen
Was – nicht nur in diesem Sinne – Levines organisatorisches Talent für das New Yorker Opernhaus bedeutet hat, das ihn zuletzt in Unehren entlassen hat, versucht die offizielle Geschichtsschreibung der Metropole jetzt geflissentlich auszublenden. Vergessen wird man es letztlich nie. Allein der Katalog an Liveaufnahmen, die unter Levines Leitung mit den prominentesten Solisten zweier Sängergenerationen entstanden, sorgt dafür.Allein zwölf Grammys gewann Levine während seiner Laufbahn. Als Partner Anne Sophie Mutters (»Carmen-Fantasie«) konnte er sich mit den Wiener Philharmonikern wochenlang in den »Charts&aquo; halten. Auch mit den »drei Tenören«, die, jeder für sich, oft genug betont haben, wie gern sie gerade mit einem Musiker seines Schlages arbeiteten, holte Levine außerordentliche Plätze in den weltweiten Ranglisten, wodurch auch sein Ruhm jenseits der Klassik-Welt sich mehrte. Dauerhaft, wie man bis vor kurzem noch dachte.