*** SINKOTHEK ** DISKOGRAPHIE ***

Rafael Kubelík

Böhmens stiller großer Musikant

Das Leben hat ihm übel mitgespielt: Daß Rafael Kubelik seine letzten Lebensjahre zurückgezogen verbrachte, war einer Gelenkserkrankung zuzuschreiben, die ihm das Dirigieren unmöglich machte.
Das letzte Jahrzehnt seines Daseins war geprägt von Schmerzen und auch von einer erzwungen Enthaltsamkeit von dem, was einstmals sein Jungbrunnen gewesen war.

Das Musikmachen hatte der tschechische Dirigent im Blut. Sein Vater Jan Kubelik war einer der führenden Violinvirtuosen der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Das musische Talent des Sohnes war bald offenkundig und wurde in der Heimat mit offenen Armen aufgenommen.

Rafael Kubelik galt bald als eigenständiger Künstler, der jenseits der vom Vater gebahnten Wege durchaus selbst seinen Mann stehen konnte.

Dirigierende Komponist

Rafael Kubelik war nicht nur ausübender Musiker, sondern auch Komponist. Wie seine Vorgänger Wilhelm Furtwängler oder Otto Klemperer mußte auch er hinnehmen, daß die Öffentlichkeit von einem schöpferischen Musiker weniger Kenntnis nehmen wollte als von einem "reproduzierenden" Künstler.
Der Komponist Kubelik erfreute sich nicht allzu großer Beliebtheit, zumal er sich in seinen Stilmitteln keine spätromantische Zurückhaltung auferlegte, sondern ein durchaus fortschrittlicher Meister war: Mit einer Oper, Veronika und etlichen Instrumentalwerken suchte er sich eine Position in der Nachfolge des großen Landsmanns Bohuslav Martinu zu sichern und war avantgardistischen Möglichkeiten der kompositorischen Organisation nicht abgeneigt.

Smetana, Mahler, Dvorak

Die Welt aber achtete vorrangig den Interpreten, der allein vom Hauptwerk Friedrich Smetanas, dem Zyklus Mein Vaterland, vier verschiedene Einspielungen im Platten- und TV-Studio erarbeitet hat.
Nicht zuletzt anhand dieses Werkes sind die bedeutenden Verbindungen Rafael Kubeliks zu studieren: zu den Wiener Philharmoniker, denen er in den fünfziger und sechziger Jahren eng verbunden war ebenso wie zum Chicago Symphony Orchestra und dem Orchester des Bayerischen Rundfunks, wo er Chefpositionen innehatte.

Legendäre Heimkehr

Aber auch mit der Tschechischen Philharmonie liegt eine Kubelik Aufnahme des Vaterlands vor, die bewegendste, denn sie dokumentiert eine Rückkehr: Kubelik war vor der Machtübernahme der Kommunisten der vielversprechende junge Chefdirigent des Orchesters, verließ aber dann die Tschechoslowakei, um erst nach dem Ende des "real existierenden Sozialismus" zurückzukommen.

Die Wiederbegegnung anläßlich der Eröffnung des "Prager Frühlings" 1990 ist dokumentiert und gehört zu den großen Tondokumenten unseres Jahrhunderts.

Die Geschichte von Verweigerung und Verhinderung ist symptomatisch für Kubeliks Karriere: In London, als musikalischer Direktor von Covent Garden, scheiterte er an den bösartigen, chauvinistischen Kommentaren Sir Thomas Beechams, in Chicago an den nicht minder geifernden Kritiken einer wildgewordenen Feuilletonistin.

Wahlheimat München

Nur in München gönnte man dem Künstler jene Ruhe und zollte ihm jenen Respekt, den er zum gedeihlichen Arbeiten benötigte. Als Chefdirigent des Bayerischen Rundfunkorchesters konnte er demonstrieren, welche Kunst er beherrschte: Musik von Mahler, für die er noch vor Bernstein gekämpft hatte, Dvorak, Beethoven oder Bruckner frei von allen falschen Künstlichkeiten, besonnen und gefühlvoll, einfach musikantisch also, darzustellen.

In Wien hatte man auf den Operndirigenten Kubelik nach seinem Auftritt anläßlich der Wiedereröffnung der Staatsoper (mit Aida, 1955) verzichtet, in Salzburg bald auf den großen Konzertdirigenten.
München genoß hingegen eine Blütezeit. Hervorragende Schallplattenaufnahme bleiben der Welt von einem stillen Großen.

Das reiche Erbe Kubeliks auf DG


↑DA CAPO