Das Wunder von Oslo

Der König von Norwegen ehrt Mariss Jansons
27. September 1994
Oslo feiert. Der König und die große Gesellschaft Norwegens gaben ihren Philharmonikern zum Jubiläum die Ehre.

Ein Dreivierteljahrhundert ist das Orchester jetzt alt. Die letzten 15 Jahre, unter der Führung des Dirigenten Mariss Jansons, brachten dem Ensemble internationale Anerkennung. Die Osloer Philharmoniker haben den Sprung in die Weltklasse geschafft.

Solche Ensemble-»Karrieren« sind außergewöhnlich. Gemeinhin ändert sich am qualitativen Gefüge der großen Orchester weltweit wenig. Ob es nun "Big Five" oder die »besten zehn« sind, die Namen sind bekannt.

Erstmals »Gurrelieder« in Oslo

Oslo hat sich dank der konsequenten Aufbauarbeit seines Chefdirigenten während der letzten Jahre einen Platz in vorderster Front erarbeitet. Verdient, wie anläßlich des Juibläumskonzertes in der Philharmonie zu erleben war: Die norwegische Erstaufführung von Arnold Schönbergs gigantischen, übrigens auf einem nordischen Gedicht beruhenden »Gurreliedern« war ein Ereignis von tatsächlich internationalem Format.

Jansons hat es geschafft, die Osloer Philharmoniker zu einem homogenen Klangkörper zu formen, der Schönbergs vielfältigen klanglichen Anforderungen bravourös und mit Hingabe gerecht wird. Die Riesenbesetzung des Oratoriums ist ja nicht zur gewalttätigen Lautstärke-Orgie, sondern zur Hervorbringung höchst differenzierter, in der Mehrheit leiser orchestraler Farbwerte gefordert.

Klaus-Maria Brandauer feiert mit

Diese erzielten die Musiker mit überwältigendem Effekt: Die zarten Valeurs der Liebesgeständnisse im ersten Teil, wo Jane Eaglen und Ben Heppner immerhin wackere stimmliche Leistungen erbrachten; die Gewitterstürme der Männerchöre im dritten Abschnitt; die surrenden, feingliedrigen Tonkonglomerate in des »Sommerwindes wilder Jagd« - mit Klaus Maria Brandauer als umjubeltem, Schönbergs Melodramatik wirklich feinfühlig erfüllendem Rezitator; vor allem aber die flackernde, irisierende Musik des »Waldtauben«-Monologs, wo die dramatische Kunst der Anne Sofie von Otter mit Jansons' Expressivität eine packende Verbindung einging: Über der geradezu apokalyptischen Färbung des Ausdrucks hielt das Auditorium mehr als einmal den Atem an.

All das - und die Fähigkeit des Dirigenten, mit scheinbar einfachsten, gänzlich unaufgesetzten Mitteln atemberaubende Steigerungen zu organisieren und »auf den Punkt« zu bringen - garantierten für ein keineswegs alltägliches Fest in Oslo. Nicht nur die Anwesenheit des Königs, auch die Anteilnahme höchster politischer Würdenträger symbolisierte die Wertschätzung, die man in Norwegen heute der Qualität des philharmonischen Orchesters entgegenbringt.

»Die wichtigsten Botschafter unseres Landes« hieß es in mehreren offiziellen Stellungnahmen - den Zaungast aus Wien gemahnt das sympathisch an österreichische Verhältnisse .  .  .

↑DA CAPO

→ SINKOTHEK