Heinrich Holllreiser
geb. 1913 - 2006
»Der Hollreiser hat das übernommen - und es war wunderbar«, also sprach Regisseur Otto Schenk Mitte der Siebzigerjare einmal im Rundfunk-Interview, als er berichten mußte, eine für Carlos Kleiber vorgesehene Premiere von Bergs Wozzeck habe ohne den avisierten Dirigenten stattfinden müssen. Das stellt eine geradezu idealtypische Geschichte dar, um Heinrich Hollreiser zu charakterisieren.
Der geborene Münchner war imstande, über Nacht einzuspringen, auch, wenn es sich um eines der kompliziertesten Werke des Opernrepertoires handelte. Er hatte ihn »drauf,« wie das so schön heißt, den Wozzeck. Und alles, was ein wenig leichter zu dirigieren ist, erst recht. »Es stört mich schon, wenn's wackelt«, brachte Hollreiser selbst einmal im Interview das gern gepflegte Mißverständnis auf den Punkt, gediegene Repertoirepflege hätte etwas mit Schlendrian zu tun.
So wenig »gewackelt« wie unter seiner Stabführung hat es in mehrheitlich ungeprobten Aufführungen - nicht nur - an der Wiener Staatsoper selten. Sein Handwerk beherrschte er wie kaum ein Zweiter in seiner Generation.
Bei Karl Elmendorff hatte der gebürtige Münchner studiert, Carmen war die erste Oper, die er dirigierte, 1933 in Wiesbaden, 20 Jahre jung. In Düsseldorf von 1945 bis 1952 Generalmusikdirektor, wurden die Wiener Staatsoper und die Deutsche Oper Berlin seine Stammhäuser, in denen er unzählige Abende leitete, mit Souveränität und Wissen um den Atem der Musik - und der Sänger, die ihn als einfühlsamen Partner liebten. Allein die Zauberflöte erklang unter Hollreisers Leitung 60 Mal an der Wiener Staatsoper zwischen 1953 und 1994!
In der Frühzeit der Langspielplatte, als die Firma Vox auch in Wien zahlreiche Aufnahmen machte, um das große Repertoire im neuen Format zu dokumentieren, war Hollreiser oft auch im Aufnahmestudio. Unter anderem spielte er mit Ingrid Haebler eine Reihe von Mozart-Klavierkonzerten ein, die hören lassen, was man damals in Wien unter gediegener Klassik-Interpretation verstand.
Als Opernspezialisten holten ihn Labels wie EMI, die Deutsche Grammophon oder Philips, wenn es um deutschsprachige Querschnitte von Klassikern oder um Raritäten ging: Wagners Rienzi gibt es ebenso unter Hollreiser Leitung wie einen Querschnitt durch Ernst Kreneks Jonny spielt auf oder mit dem Wiener Kammerchor, Carl Orffs Catulli Carmina.