Von der Schönheit der Sünde
Nikolaus Harnoncourt gab sein Operndebüt bei den Salzburger Festspielen mit Monteverdis »Incoronazione di Poppea«
26. Juli 1993
Ein Triumph vielleicht für Gerard Mortiers "neuen" Festspielgedanken. Denn wie ließe sich der sinnfälliger darstellen als mit dem Einzug des Concentus Musicus in Karajans Festspielhaus? Ein Triumph jedenfalls für den Dirigenten, dem es gelang, mit vergleichsweise kammermusikalischem Instrumentarium die Riesenhalle zu füllen, als wäre sie für nichts anderes gebaut.
Gewiß, man mußte die Ohren akkommodieren wie die Augen im Zwielicht, als Countertenor Jochen Kowalski als verlassener Liebhaber leise und fein abschattiert zu singen anhob. Minuten später freilich war der Gewöhnungsakt vollzogen. Denn mit Silvia Mc-Nair, Philip Langridge, Kurt Moll und Marjana Lipovek waren Opernstars aufgeboten, die von Mozart bis Schönberg in allen Stilen - und in allen Häusern, Sälen und Arenen zu Hause sind.
Womit das Geheimrezept dieses Erfolges verraten ist. Denn Harnoncourt zieht nicht als Exekutor irgendwelcher unpraktikablen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema "Anfänge des Musiktheaters" ein, sondern als Vollblutmusiker und Praktiker, der er in seinen besten Momenten immer war.
Also erarbeitete er nicht mit "Barockspezialisten", sondern mit Stars die "Krönung der Poppäa", brachte diesen bei, was zum "richtigen Verständnis" des speziellen Stils dieser Musik nötig ist, und veranlaßte im übrigen jeden einzelnen, im abgesteckten Rahmen seine ganze Persönlichkeit einzubringen.
Marjana Lipovek gibt die ungeliebte, später verstoßene Ottavia und formt die feinnervig differenzierten ariosen und rezitativischen Passagen, die Monteverdi ihr schenkt, zum Seelenspiegel. Also keine eindimensionale Intrigantin, sondern eine Frau, geplagt von Angst und Selbstzweifel. Daraus resultieren stimmig auch Rache- und Mordgelüste. Silvia McNair als Poppäa Wie überhaupt in dieser Aufführung deutlich wird, mit wieviel Anteilnahme der Komponist auch noch den unmoralischsten Handlungsträger in dieser zutiefst unmoralischen Ballade von der Lasterhaftigkeit behandelt.
Die Poppäa der zart und verführerisch singenden, zu den abgründigsten Zwischentönen und Färbungen fähigen Silvia McNair macht von dem reichen Angebot zur diesbezüglichen Charakterisierungskunst ebenso beeindruckend Gebrauch wie der Nero des grandiosen Philip Langridge, der, wenn es sein muß, Takt für Takt zu chamäleonartigen vokalen Metamorphosen fähig ist. Ganz wie der an extremer Textdeutung interessierte Stil der Zeit das erheischt.
Kurt Moll dazu, der dem Seneca die nötige "profondit`a" verleiht, Andrea Rost, die als liebeskranke Drusilla von einer Nachwuchshoffnung endgültig zum jungen Star avanciert sein dürfte, Hans Jürgen Lazar als Tenorbuffostudie der ältlichen, lebens- und "lasterweisen" Arnalta, fügen sich mit nahezu ausnahmslos der gesamten Besetzung perfekt in das Mosaik, das Harnoncourt mit dem Concentus Musicus im Orchestergraben ausbreitet: prachtvoller Farbenzauber, expressive Dramen en miniature, eine lebendige, poetische, verführerisch schöne musikalische Inszenierung.
Harnoncourt ist also auch der wahre Regisseur dieser umjubelten Premiere. Daß sich auch beim Erscheinen Jürgen Flimms kein Widerspruch regte, lag wohl daran, daß sich der "Theatermacher" im Hintergrund gehalten, abgesehen von einigen Mätzchen grundsolid gearbeitet und Rolf Glittenbergs polystilistisches Bühnenbild zuweilen metaphorisch zu nutzen gewußt hat.
So herrschten die Klänge absolut. Spätestens nach diesem Festspieldebüt hat das Musikleben ein Jahrhundert Kompositionsgeschichte für sein Repertoire "zurückerobert". Man spielt Monteverdi in Salzburg, wie man in den besten Zeiten Strauss oder Mozart gespielt hat: mit großen Sängern, dem richtigen Dirigenten - und dem richtigen Orchester.
Gewiß, man mußte die Ohren akkommodieren wie die Augen im Zwielicht, als Countertenor Jochen Kowalski als verlassener Liebhaber leise und fein abschattiert zu singen anhob. Minuten später freilich war der Gewöhnungsakt vollzogen. Denn mit Silvia Mc-Nair, Philip Langridge, Kurt Moll und Marjana Lipovek waren Opernstars aufgeboten, die von Mozart bis Schönberg in allen Stilen - und in allen Häusern, Sälen und Arenen zu Hause sind.
Womit das Geheimrezept dieses Erfolges verraten ist. Denn Harnoncourt zieht nicht als Exekutor irgendwelcher unpraktikablen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema "Anfänge des Musiktheaters" ein, sondern als Vollblutmusiker und Praktiker, der er in seinen besten Momenten immer war.
Also erarbeitete er nicht mit "Barockspezialisten", sondern mit Stars die "Krönung der Poppäa", brachte diesen bei, was zum "richtigen Verständnis" des speziellen Stils dieser Musik nötig ist, und veranlaßte im übrigen jeden einzelnen, im abgesteckten Rahmen seine ganze Persönlichkeit einzubringen.
Marjana Lipovek gibt die ungeliebte, später verstoßene Ottavia und formt die feinnervig differenzierten ariosen und rezitativischen Passagen, die Monteverdi ihr schenkt, zum Seelenspiegel. Also keine eindimensionale Intrigantin, sondern eine Frau, geplagt von Angst und Selbstzweifel. Daraus resultieren stimmig auch Rache- und Mordgelüste. Silvia McNair als Poppäa Wie überhaupt in dieser Aufführung deutlich wird, mit wieviel Anteilnahme der Komponist auch noch den unmoralischsten Handlungsträger in dieser zutiefst unmoralischen Ballade von der Lasterhaftigkeit behandelt.
Die Poppäa der zart und verführerisch singenden, zu den abgründigsten Zwischentönen und Färbungen fähigen Silvia McNair macht von dem reichen Angebot zur diesbezüglichen Charakterisierungskunst ebenso beeindruckend Gebrauch wie der Nero des grandiosen Philip Langridge, der, wenn es sein muß, Takt für Takt zu chamäleonartigen vokalen Metamorphosen fähig ist. Ganz wie der an extremer Textdeutung interessierte Stil der Zeit das erheischt.
Kurt Moll dazu, der dem Seneca die nötige "profondit`a" verleiht, Andrea Rost, die als liebeskranke Drusilla von einer Nachwuchshoffnung endgültig zum jungen Star avanciert sein dürfte, Hans Jürgen Lazar als Tenorbuffostudie der ältlichen, lebens- und "lasterweisen" Arnalta, fügen sich mit nahezu ausnahmslos der gesamten Besetzung perfekt in das Mosaik, das Harnoncourt mit dem Concentus Musicus im Orchestergraben ausbreitet: prachtvoller Farbenzauber, expressive Dramen en miniature, eine lebendige, poetische, verführerisch schöne musikalische Inszenierung.
Harnoncourt ist also auch der wahre Regisseur dieser umjubelten Premiere. Daß sich auch beim Erscheinen Jürgen Flimms kein Widerspruch regte, lag wohl daran, daß sich der "Theatermacher" im Hintergrund gehalten, abgesehen von einigen Mätzchen grundsolid gearbeitet und Rolf Glittenbergs polystilistisches Bühnenbild zuweilen metaphorisch zu nutzen gewußt hat.
So herrschten die Klänge absolut. Spätestens nach diesem Festspieldebüt hat das Musikleben ein Jahrhundert Kompositionsgeschichte für sein Repertoire "zurückerobert". Man spielt Monteverdi in Salzburg, wie man in den besten Zeiten Strauss oder Mozart gespielt hat: mit großen Sängern, dem richtigen Dirigenten - und dem richtigen Orchester.