Fricsay war noch in der österreichisch-ungarischen Monarchie zur Welt gekommen, erlebte zwei Weltkriege und starb nach seiner Flucht aus dem kommunistischen Ungarn als österreichischer Staatsbürger. Dennoch blieb er im Gedächtnis als Interpret der großen ungarischen Meister - und als großer Mozartianer unter den Maestri seiner Generation.
Er entstammte einem ungarischen Militärkapellmeister-Haushalt und erfuhr früh musikalische Förderung durch seinen Vater, der ihn bereits im Alter von sechs Jahren an der Budapester Musik-Akademie studieren ließ.
Dort wurden jene Meister, deren Musik er später als wissender Interpret realisieren sollte, zu seinen Lehrern: Zoltán Kodály, Béla Bartók, aber auch Ernst von Dohnányi, bei dem er die Klavierklasse besuchte.
Dirigierend trat er zunächst in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Militärkapellmeister in Szeged. Gleichzeitig arbeitete er jedoch immer wieder als Korrepetitor an der Budapester Staatsoper, wodurch er sich ein immenses Repertoire von Grund auf erarbeiten konnte.
Oper dirigiert hat Fricsay das erste Mal in Szeged: Verdis Rigoletto.
In Szeged kam Ferenc Fricsay, dessen Mutter Jüdin war, erstmals in die Fänge der Militärgerichtsbarkeit. Das mit Hitler-Deutschland verbündete Ungarn wollte ihm untersagen, jüdische Künstler zu engagieren. Gemeinsam mit seiner Familie floh Fricsay, um zunächst in Budapest unterzutauchen.
Nach Ende des deutschen Einflusses wurde Fricsay Kapellmeister der Budapester Oper, wo an seiner Seite Otto Klemperer wirkte, von dem er 1947 die Leitung der Uraufführung von Gottfried von Einems Dantons Tod bei den Salzburger Festspielen übernahm. Diese viel beachtete Premiere bedeutete den internationalen Durchbruch für den Künstler, der zu jener Zeit auch bereits ständiger Gastdirigent der Wiener Staatsoper im Theater an der Wien war.
In der Folge dirigierte Fricsay in Serie Weltpremieren bei den Salzburger Festspielen: Auf Danton folgten 1948 Martins Vin herbé und 1949 Orffs Antigonae. Er sprang einmal auch für Wilhelm Furtwängler ein.
Sein Debüt an der Städtischen Oper Berlin mit Verdis Don Carlos ebnete Fricsay den Weg zur Führungsposition beim neu gegründeten RIAS-Symphonieorchester, das er ab 1956 unter dem Namen Radio-Symphonieorchester Berlin zur Weltklasse führte. Ein Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophongesellschaft schuf die Basis für gediegene Vorbereitungsarbeit bedeutender Aufnahmeprojekte, die dafür sorgten, daß der Name Fricsay noch Jahrzehnte später ein Begriff
blieb.
Ein Engagement als Generalmusikdirektor in München verlief weniger glücklich. Von den »Hausgöttern« der Bayerischen Staatsoper liebte Fricsay Wagner und Richard Strauss deutliche weniger als Mozart - und trachtete eher das italienische Repertoire auszubauen. In Berlin agierte er glücklicher, war auch der Dirigent der Wahl für die Eröffnung der neuen »Deutschen Oper« im Westen der geteilten Stadt.
Als Mozart-Interpret pflegte Fricsay ein kraftvolles, pulsierendes und farbenreiches Klassiker-Klangbild in der großen Tradition. Die Einspielungen der Zauberflöte, Figaros Hochzeit und des Don Giovanni
konnten trotz der von derselben Firma nach Fricsays Tod (zum Teil mit identischen Interpretn!) produzierten Neuaufnahmen unter Karl Böhm ihren Platz in den Sammlungen der Kenner behaupten.
Furore gemacht haben die Bartók-Aufnahmen Fricsay, allen voran die Aufnahme der Oper Herzog Blaubarts Burg mit Herta Töpper und Dietrich Fischer-Dieskau sowie die Klavierkonzerte mit Géza Anda.