Dietfried Bernet
Über Höhen und Tiefen des Dirigentenlebens
Ein Gespräch im März 1996
Der Dirigent im Gespräch
Kaum ein Dirigent kann von sich behaupten, Höhen und Tiefen seines Berufes so hautnah erlebt zu haben: In der Karriere von Dietfried Bernet liegen Hochstimmung über den Erfolg und Absturz in die tiefste Depression nah beieinander.
Er macht kein Hehl daraus, erzählt so freimütig über persönliche Krisen, wie andere positive Kritiken "zufällig" aus der Westentasche ziehen: "Bei mir ist, weiß Gott, nicht alles reibungslos gegangen. Im Gegenteil. Es hat Zeiten gegeben, wo ich geglaubt habe, ich bin ganz am Ende."
Dabei hat alles vielversprechend angefangen. Mit 24 durfte er als Kapellmeister an der Wiener Volksoper arbeiten. Wenig später absolvierte er mit der "Zauberflöte" auch sein Debüt an der Staatsoper. Die Referenzen waren glänzend. Hans Swarovsky war sein Lehrer gewesen, auch beim genialischen Dimitri Mitropoulos hatte er studieren dürfen. Ersten Orchesterkonzerten des Nochteenagers folgte der erste Preis beim Dirigentenwettbewerb in Liverpool.
Die Stadt Mainz berief den aufstrebenden Maestro zum Generalmusikdirektor - und durfte zufrieden sein: "Wir haben damals mit der Einbindung eines für die Hörer neuen Repertoires in klugen Zusammenstellungen enorme Besucherzuwächse gehabt."
Allein, dem erfolgreichen Mainzer Dasein folgte der Zusammenbruch: "Ich glaube", analysiert Bernet aus der sicheren Entfernung von eineinhalb Jahrzehnten, "daß der Ruhm einfach zu früh gekommen ist. Ich gehöre zu einer Generation, die irgendwie unter die Räder gekommen ist. Abbado, Mehta, und wie sie alle heißen, hatten gerade Karriere gemacht. Für unsereinen war danach kein Platz."
Kurzfristiges Einspringen für Otto Klemperer bei den Berliner Philharmonikern, bejubeltes Gastspiel bei Chicago Symphony: Auf schöne Anfänge folgte das jähe Ende. Plötzlich sah sich Bernet mutterseelenallein in seinem Domizil in der Nähe von Melk "und wartete, bis das Telephon läutet".
Es läutete nur selten - ein paar Gelegenheitsengagements in deutschen Opernhäusern -, dann gar nicht mehr. Bernet versuchte, was alle jungen (oder gar nicht mehr so jungen) Künstler tun, er trat mit Agenturen in Kontakt. Die aber reagierten meist nicht einmal auf seine Briefe. Dann kam der Alkohol. "Wir dürfen uns nichts vormachen", meint Bernet, "das wußte bald die ganze Branche. Dann hieß es: Bernet, ja, aber . . ."
Dietfried Bernet, deutsche Oper, tüchtiger Kapellmeister, das waren Stichworte, die irgendwie zusammenpaßten - und in der Not reicht das assoziative Gedächtnis auch in die hintersten Winkel der österreichischen Provinz: Dort saß einer, der hatte das ganze Repertoire "drauf", wie das im Musikerjargon so schön heißt.
Und Bernet log, überrascht von dem plötzlichen Dornröschenkuß. Oder besser: Er sagte nicht die ganze Wahrheit: "Natürlich hatte ich Wagner dirigiert. Fast alles. Außer "Parsifal" und - den "Meistersingern". Von denen hatte ich nicht einmal eine Partitur.
Ein Bauer aus der Umgebung fuhr zum Doblinger nach Wien, um mir eine zu besorgen. Und ich habe die letzten paar Schilling zusammengekratzt für den Flug nach Marseille."
Die Aufführung war ein Triumph.
Und sofort trafen Angebote ein. Bernet, eben noch arbeitslos, mußte lukrative Termine aus Zeitnot ablehnen.
Und welches noch folgen sollte: "Ich habe den plötzlichen Ansturm auch nicht ausgehalten", resümiert Bernet die Folgen der Jubelstimmung vom Anfang der neunziger Jahre.
"Der Streß hat mich wieder in die Abhängigkeit vom Alkohol getrieben. So lange, bis ich zusammengebrochen bin."
Die folgende, vom Körper diktierte Enthaltsamkeit war heilsam: "Ich habe seither keinen Tropfen mehr getrunken, nicht einmal bei der Hochzeit" - mit einer Wiener Schauspielerin, die, deutet man Bernets liebevolle Worte richtig, wohl ihr Scherflein zur Stabilisierung beigetragen haben dürfte.
"Ich glaube, wenn man über mich redet, dann soll man die Sache mit dem Alkohol nicht unterspielen. Alle haben davon gewußt. Jetzt sollen sie auch wissen, daß es vorbei ist."
Tatsächlich hagelt es Engagements: Londons Covent Garden zählt Bernet schon zu den ständigen Dirigenten (gleich zwei Premieren sind 1997 geplant), in Kopenhagen wurde er Erster Gastdirigent am Königlichen Opernhaus. Und die Wiener Staatsoper erwartet ihn in der kommenden Spielzeit - nach einer selbstverordneten Karenzzeit - zu einer Tannhäuser-Wiederaufnahme zurück. Ab dann steht der "verlorene Sohn" wohl auf Dauer zur Verfügung.
Er macht kein Hehl daraus, erzählt so freimütig über persönliche Krisen, wie andere positive Kritiken "zufällig" aus der Westentasche ziehen: "Bei mir ist, weiß Gott, nicht alles reibungslos gegangen. Im Gegenteil. Es hat Zeiten gegeben, wo ich geglaubt habe, ich bin ganz am Ende."
Dabei hat alles vielversprechend angefangen. Mit 24 durfte er als Kapellmeister an der Wiener Volksoper arbeiten. Wenig später absolvierte er mit der "Zauberflöte" auch sein Debüt an der Staatsoper. Die Referenzen waren glänzend. Hans Swarovsky war sein Lehrer gewesen, auch beim genialischen Dimitri Mitropoulos hatte er studieren dürfen. Ersten Orchesterkonzerten des Nochteenagers folgte der erste Preis beim Dirigentenwettbewerb in Liverpool.
Die Stadt Mainz berief den aufstrebenden Maestro zum Generalmusikdirektor - und durfte zufrieden sein: "Wir haben damals mit der Einbindung eines für die Hörer neuen Repertoires in klugen Zusammenstellungen enorme Besucherzuwächse gehabt."
Allein, dem erfolgreichen Mainzer Dasein folgte der Zusammenbruch: "Ich glaube", analysiert Bernet aus der sicheren Entfernung von eineinhalb Jahrzehnten, "daß der Ruhm einfach zu früh gekommen ist. Ich gehöre zu einer Generation, die irgendwie unter die Räder gekommen ist. Abbado, Mehta, und wie sie alle heißen, hatten gerade Karriere gemacht. Für unsereinen war danach kein Platz."
Kurzfristiges Einspringen für Otto Klemperer bei den Berliner Philharmonikern, bejubeltes Gastspiel bei Chicago Symphony: Auf schöne Anfänge folgte das jähe Ende. Plötzlich sah sich Bernet mutterseelenallein in seinem Domizil in der Nähe von Melk "und wartete, bis das Telephon läutet".
Es läutete nur selten - ein paar Gelegenheitsengagements in deutschen Opernhäusern -, dann gar nicht mehr. Bernet versuchte, was alle jungen (oder gar nicht mehr so jungen) Künstler tun, er trat mit Agenturen in Kontakt. Die aber reagierten meist nicht einmal auf seine Briefe. Dann kam der Alkohol. "Wir dürfen uns nichts vormachen", meint Bernet, "das wußte bald die ganze Branche. Dann hieß es: Bernet, ja, aber . . ."
Wagner nach dem Absturz
Nur einmal dachte man an den offenkundig abgestürzten ehemaligen Senkrechtstarter: "Da ist denen in Marseille über Nacht der Dirigent für eine Meistersinger-Premiere ausgefallen."Dietfried Bernet, deutsche Oper, tüchtiger Kapellmeister, das waren Stichworte, die irgendwie zusammenpaßten - und in der Not reicht das assoziative Gedächtnis auch in die hintersten Winkel der österreichischen Provinz: Dort saß einer, der hatte das ganze Repertoire "drauf", wie das im Musikerjargon so schön heißt.
Und Bernet log, überrascht von dem plötzlichen Dornröschenkuß. Oder besser: Er sagte nicht die ganze Wahrheit: "Natürlich hatte ich Wagner dirigiert. Fast alles. Außer "Parsifal" und - den "Meistersingern". Von denen hatte ich nicht einmal eine Partitur.
Ein Bauer aus der Umgebung fuhr zum Doblinger nach Wien, um mir eine zu besorgen. Und ich habe die letzten paar Schilling zusammengekratzt für den Flug nach Marseille."
Die Aufführung war ein Triumph.
Und sofort trafen Angebote ein. Bernet, eben noch arbeitslos, mußte lukrative Termine aus Zeitnot ablehnen.
Alkohol, die Droge
Auch in Wien war er etwa mit dem Don Giovanni im Schönbrunner Schloßpark und, mehr noch, mit einer brillanten Fledermaus in der Kammeroper erfolgreich. Ein großes Talent hatte sich zurückgemeldet - die Musikfreunde, die das erfreut konstatierten, wußten nicht, durch welches Purgatorium es gegangen war.Und welches noch folgen sollte: "Ich habe den plötzlichen Ansturm auch nicht ausgehalten", resümiert Bernet die Folgen der Jubelstimmung vom Anfang der neunziger Jahre.
"Der Streß hat mich wieder in die Abhängigkeit vom Alkohol getrieben. So lange, bis ich zusammengebrochen bin."
Die folgende, vom Körper diktierte Enthaltsamkeit war heilsam: "Ich habe seither keinen Tropfen mehr getrunken, nicht einmal bei der Hochzeit" - mit einer Wiener Schauspielerin, die, deutet man Bernets liebevolle Worte richtig, wohl ihr Scherflein zur Stabilisierung beigetragen haben dürfte.
"Ich glaube, wenn man über mich redet, dann soll man die Sache mit dem Alkohol nicht unterspielen. Alle haben davon gewußt. Jetzt sollen sie auch wissen, daß es vorbei ist."
Tatsächlich hagelt es Engagements: Londons Covent Garden zählt Bernet schon zu den ständigen Dirigenten (gleich zwei Premieren sind 1997 geplant), in Kopenhagen wurde er Erster Gastdirigent am Königlichen Opernhaus. Und die Wiener Staatsoper erwartet ihn in der kommenden Spielzeit - nach einer selbstverordneten Karenzzeit - zu einer Tannhäuser-Wiederaufnahme zurück. Ab dann steht der "verlorene Sohn" wohl auf Dauer zur Verfügung.