Ana de la Vega ist eine der besten Bläser-Solistinnen ihrer Zeit. Geboren in Australien, hat sie in Sydney und Paris studiert. In den späten Zehnerjahren des XXI. Jahrhunderts brachte sie bemerkenswerte CD-Aufnahmen auf dem Label Pentatone heraus, die vor allem das Repertoire der Ära der Wiener Klassik durchforstet haben. So stellte sie nebst Mozarts Flötenkonzerten auch ein Werk von Joseph Mysliveček zur Diskussion, den Mozart einst als den »göttlichen Böhmen«, (Il divino boemo) bezeichnet hatte.
Besonders gelungen war die Zusammenstellung von Werken aus der Feder von Carl Stamitz mit zweien der Lirenkonzerte von Joseph Haydn, 2019 veröffentlicht.
Wenn ein Meister für einen dilettierenden König komponiert, heißt das noch nicht, dass er weniger gute Musik schreibt. Auch das zeigt ein neues Album mit den Trondheim Soloists.
Diese CD, schon einige Zeit im Handel, darf nicht unter den Radarschirm von Musikfreunden, die an der Wiener Klassik interessiert sind. Viel zu wenig beschäftigt man sich mit der Frage, wie die Kunst Haydns, Mozart und in der Folge jene des Jahresregenten Beethovens eingebunden ist in die Zeitläufte der Musikgeschichte. Dass Beethoven, wie der Graf Waldstein das so schön ausgedrückt hat, „Mozarts Geist aus Haydns Händen empfangen“ konnte, geschah ja nicht im luftleeren Raum.
Zu den Wegbereitern jenes Vokabulars, das wir heute hörend mühelos dem „klassischen Stil“ zuweisen, gehörten die Meister der Mannheimer Hofkapelle. Von Johann Stamitz und seinen Söhnen kennt man immerhin die Namen. Selten aber hört man ihre Musik. Die Flötistin Ana de la Vega und der Oboist Ramón Ortega Quero haben mit den schwungvoll und dank eines profunden Bass-Fundaments auch klangsatt musizierenden Trondheim Soloists eine CD aufgenommen, die zwei Konzerte von Carl Stamitz (1745–1801) mit zweien der „Lirenkonzerte“ von Joseph Haydn kombinieren.
Musikalische Dialektik
Das ist so amüsant wie lehrreich. Denn Stamitz' Musik plaudert schon anregend in jener Sprache, die sein Vater entscheidend mit geprägt hat: Wir schlendern auf halbem Weg, haben den Tonfall des barocken „Concertare“ noch im Ohr, ahnen aber schon die Möglichkeiten, die uns die musikalische Dialektik bald bieten wird.
Und Haydn nutzt sie dann mit virtuoser Hand. Umso bewundernswerter, als er sein Können in einen leichtgängigen, wenn auch keineswegs leichtgewichtigen Divertimento-Stil verpackt. Die Concerti für die „Lira Organizzata“ entstanden für den König von Neapel, dessen Lieblingsinstrument diese noble Drehorgel-Variante war und mussten sich den beschränkten Möglichkeiten des Instrumentariums anpassen; und wohl auch den manuellen Fertigkeiten des musizierenden Monarchen. Das war ja stets die Stärke dieses Meisters: Er serviert hintergründigste Pointen mit Unschuldsmiene. Immerhin entstanden diese Werke in seiner Reifezeit, und das eine oder andere wird der Kenner seiner Londoner Symphonien auch wiedererkennen, denn Haydn hat es, kaum verändert, in größer angelegte Werke übernommen.
Die Originalfassungen klingen bei den beiden exzellenten Solisten so munter wie beschwingt und werden herzhaft ausgespielt.
De la Vegas dunkel-schöner, warmer Flötenton kontrastiert zum silbrigen Oboenklang, findet mit ihm aber auch immer wieder zu vollkommen harmonischen Parallelführungen. Die Trondheimer Solisten, geführt von Geir Inge Lotsberg, sind freundliche Partner der Solisten, lauschen aufmerksam, sorgen für die nötige Unterstützung, setzen aber, wo es nötig ist, auch energische Antriebskräfte frei. Klassisch!