Die Streichquartette op. 18
1798-1800
Dem Fürsten Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz gebührt der Nachruhm, Ludwig van Beethoven und seinen Lehrer Joseph Haydn historisch miteinander verbunden zu haben: Er bestellte sowohl bei Haydn als auch bei Beethoven eine Reihe neuer Streichquartette. Damit regte er den Jüngeren an, sich doch in der Königsdisziplin mit seinen Vorbildern zu messen - hatten doch bereits Haydn und Mozart einander mittels Streichquartetten gegenseitig inspiriert und zu neuen Höchstleistungen angestachelt.
Haydn lieferte von den geplanten Werken nur noch die beiden unter der Opuszahl 77 veröffentlichten Stücke und ließ ein drittes Quartett, das dann als Fragment op. 103 gedruckt wurde, unvollendet liegen. Beethoven hingegen widmete Lobkowitz sein Opus 18, das seine sechs frühesten Beiträge zur Gattung enthält. Die stilistisch höchst ungleichen, auf neue Ausdrucksformen zusteuernden Kompositionen eröffnen die einzigartige Reihe Beethovenscher Streichquartette, die - anders als jene der Klaviersonaten und Symphonien - bis in die letzten Lebensmonate des Komponisten reicht, an der sich also sein gesamter Schaffensweg nachzeichnen läßt.
Allegro con brio
Adagio affettuoso ed appassionato
Scherzo: Allegro molto
Allegro
Das als Nummer 1 veröffentlichte F-Dur-Quartett ist nicht die erste der sechs Kompositionen. Es entstand 1799 und fand von der Sechser-Reihe bei Beethovens Geiger-Freund Ignaz Schuppanzigh, der nahezu sämtliche Quartette und einige der Violinsonaten des Komponisten uraufführte, den meisten Anklang.
Wobei Beethoven diese Werke als »Work in Progress« nach diversen Spielversuchen immer aufs neue überarbeitete, bis die für die Drucklegung bestimmte Endfassung vorlag. Eine Urfassung des F-Dur-Quartetts wurde Anfang des XX. Jahrhunderts entdeckt. Der Notentext weicht zum Teil erheblich von der bekannten Version ab. Man versteht, warum Beethoven an einen Freund, dem er das Manuskript
geliehen hatte, schrieb:
Dein Quartett gieb ja nicht weiter, weil ich es sehr umgeändert habe; indem ich erst jetzt recht Quartetten zu schreiben weiß, was Du schon sehen wirst, wenn Du sie erhalten wirst.
Außerordentlich auf die Zeitgenossen muß in diesem Werk das Adagio gewirkt haben, der - ausdrücklich affettuoso ed appassionato vorzutragen - ungeahnte expressive Welten eröffnet. Beethoven selbst gab zu Protokoll, die Grabesszene aus Shakespeares Romeo und Julia hätte ihn zu dieser Musik inspiriert. Wenn solchen Zuweisungen auch stets mit einer gewissen Skepsis zu begegnen ist, findet sich doch in den Skizzen zu op. 18/1 tatsächlich die Bemerkung
les derniers soupirs(also: »die letzten Seufzer). Und die heftig dreinfahrenden Zweiunddreißigstel schneiden tatsächlich schmerzhaft in die traurige Abschiedsatmosphäre des Klagegesangs.
Diese Zweiunddreißigstelfigur entwickelt sich übrigens aus der zunächst lediglich die »Gesangs«-Melodie verzierenden, anmutigen Koloratur, die in ihrer Belcanto-Stilistik den Eindruck der Opernhaftigkeit dieser »Szene« verstärkt.Bereits der Kopfsatz des F-Dur-Quartetts, Allegro con brio, stellt in seiner kraftvollen, vor allem auf das schroffe Unisono-Thema abgestellten Dramatik extreme Anforderungen an die Hörer. Wie später in der Fünften Symphonie arbeitet Beethoven hier insistent und quasi monothematisch. Die tonale Spannung weitet er in der Durchführung bis nach Des- und Ges-Dur; und kommt - ganz gegen die Gewohnheiten! - auch in der Reprise auf diese Tonart zurück. Nach so viel anspruchsvollem Innovationsgeist wirken die beiden weiteren Sätze wie ein allmählich entspannend-positiver ausklang. Durchsetzt von ausgelassenen Trillern und Vorschlägen das Scherzo, wiewohl noch ungewöhnlich genug periodisiert und von chromatisch durchsetzter Melodik geprägt, vor allem aber das Finale, das nach all den heftigen seelischen Aufwallungen dieser Musik geradezu ausgelassen fröhlich wirkt.
Allegro
Adagio cantabile - Allegro - Tempo I
Scherzo. Allegro
Allegro molto, quasi presto
Hintergründig spielt der Komponist hier auch mit den Hörerwartungen der Kenner seiner Zeit: In der Sechserserie tauscht er - wie Haydn schon manchmal in seinen späten Quartetten - zweimal die Mittelsätze aus und stellt Menuett, bzw. Scherzo, an die zweite Stelle. Hier, im G-Dur-Quartett, baut er ein Scherzo in den langsamen Satz ein, um ein graziöses Menuett an die dritte Stelle zu setzen, in dem er überdies - eine rare Volte - eine verspielte Überleitung vom Trio zur Menuett-Reprise komponiert.
Allegro
Andante con moto
Allegro - Minore - Maggiore
Presto
Allegro ma non tanto
Scherzo: Andante scherzoso quasi Allegretto
Menuetto: Allegretto
Allegro - Prestissimo
Bemerkenswert auch, daß es in diesem Quartett - wie später noch manchmal bei Beethoven - keinen »langsamen Satz« gibt. Auf das c-Moll-Eingangsallegro folgen ein Scherzo und ein Menuett! Bewegt wie ein ungarischer Tanz ist dann auch das Finale, das selbst bis knapp vor Schluß der Prestissimo-Stretta die Moll-Tonalität trotzig beibehält - die humorige Schlußgeste läßt die Entscheidung über die »Zulässigkeit« eines Dur-Schlusses dann, scheint's, endgültig offen.
Allegro
Menuetto
Andante cantabile
Allegro
Tatsächlich zeigt sich der Eigensinn Beethovens aber schon in den Molltrübungen des Seitenthemas im Kopfsatz, und vor allem in den oft versponnen ausgeweiteten Variationen des Andantes.
Allegro con brio
Adagio ma non troppo
Scherzo: Allegro
La Malinconia: Adagio - Allegretto quasi Allegro
Das Scherzo hebt in fröhlichem Ton an, verunsichert aber durch kraftvoll gegen den metrischen Strich gebürstete Rhythmik und findet von den artistisch-clownesken Sprungfiguren im Trio erst über eine schroffe, in Moll gehaltene Überleitung zum Hauptteil zurück.
Mit der Malinconia, deren Ausdrucksstärke wie eine schwere Hypothek auf den tänzerischen Elementen des Schlußsatzes liegt, setzt Beethoven dann hinter seine ersten Quartettserie einen höchst eigensinnigen Schlußpunkt. Der Nachfolger Haydns und Mozarts gedachte, der Musikwelt ganu neue Territorien zu erschließen; sein Überraschungs-Potential war noch lange nicht ausgelotet.