Orest

Manfred Trojahn

Was wird aus dem Muttermörder nach dem Ende von Richard Strauss' »Elektra«?

2011 (Amsterdam)

Zwei von Manfred Trojahns Librettisten, Claus H. Henneberg und Christian Martin Fuchs wurden früh aus dem Leben gerissen. Mangels geeigneter Partner sah sich der Komponist gezwungen, im Falle der Auftragsarbeit für die Nederlandse Opera, Orest, sein eigener Librettist zu sein.

Daß in seiner Fassung der Atriden-Tragödie zwei Handlungsstränge ineinander verwoben sind, ergab sich, wie Trojahn erklärt, im Lauf der Arbeit an der Musik. Trojahn suchte als Librettist Wege, die Figur des Orest »im Laufe der Handlung in einer Zeitreise sukzessive aus der antiken Gesellschaft in unsere Zeit zu führen.

»Die Figuren meines Musiktheaters sind zeitgenössische Charaktere, Leute, die man täglich auf der Straße treffen kann.« Musikalisch spielt die Beschäftigung mit dem Elektra-Komponisten Richard Strauss eine immense Rolle. Auch Hans Werner Henze (nicht zuletzt dessen Antiken-Oper Die Bassariden) hat für Trojahn Vorbildwirkung.

Sich an solchen Vorbildern zu messen sie »keine Anmaßung, sondern eine Notwendigkeit«, versicherte Trojahn im Gespräch.

Und Michael Boder, Dirigent der Erstaufführung des Werks an der Wiener Staatsoper, 2018, ergänzt: »Wir erleben keine Antikentragödie. Wir besuchen Orest auf der psychiatrischen Intensivstation. Alles, was passiert, spiele sich in Orests Kopf ab.«

Boder weiter: »Die Musik Trojahns verleugnet gar nicht die Herkunft. Seine Art zu schreiben hat natürlich viel mit Strauss oder Alban Berg zu tun. Allerdings gibt es nach 100 Jahren eine andere Form der Harmonik, eine andere Art der musiktheatralischen Drastik, wenn man so will. Aber man spürt durchwegs, daß das Werk aus dem Geist der Strauss'schen Elektra heraus entwickelt ist, daß es eine Fortsetzung sein sollte; und auch geworden ist.«

↑DA CAPO