Giselher Klebe

1925 - 2009

Klebes letzte vollendete Oper nach Gogols Revisor auf DVD

(Theater Detmold)



Klebe stammte aus Mannheim und begann während des Zweiten Weltkriegs Violine und Komposition in Berlin zu studieren. Seine Ausbildung konnte er nach 1945 bei Josef Rufer und Boris Blacher abschließen. Im Brotberuf Mitarbeiter des Berliner Rundfunks (ab 1957) Nachfolger Wolfgang Fortners als Leiter einer Kompositionsklasse in Detmold, wurde er zu einem der meistgespielten deutschen Opernkomponisten der Nachkriegszeit.

Als Schüler des Schönberg-Exegeten Rufer war er mit der Zwölftonmethode vertraut und wußte diese Kompositionstechnik auf seine Weise anzuwenden. Einen ersten Erfolg feierte Klebe mit seinem 1950 beim Avantgardefestival Donaueschingen uraufgeführten Orchesterwerk, inspiriert von Paul KLees Bild ›Die Zwitschermaschine‹.

Seine Opernlibretti verfaßte er stets selbst - und führte auf originelle Weise die Gattung der Literaturoper weiter. Eine Zeitlang schien es sogar, als ob Klebe neben Henze einer der wenigen zeitgenössischen Komponisten sein könnte, dessen Werke ins Repertoire eingehen könnten. Jedenfalls spielten auch mittlere und kleinere Häuser seine Novitäten nach.

Im Gespräch bekannte Klebe in späten Jahren einmal
Ohne Melodie geht's nicht!
und berief sich ausdrücklich auf Giuseppe Verdi als Vorbild - freilich in Fragen der Opern-Dramaturgie; seine musikalische Sprache hätte er für sich selbst gefunden. Sein Ziel sei es
immer melodisch zu sein - und melodisch zu bleiben.

Ich habe meine musikalische Sprache durch die Abkehr von der Tonalität gefunden, aber bald bemerkt: Ganz ohne Tonalität kommt man doch nicht aus. Meine Hauptarbeit besteht darin, die Tonalität innerhalb einer atonalen Sprache nicht ganz auszuschalten.


Giselher Klebes Opernkatalog:

  • Die Räuber (nach Schiller, Düsseldorf 1957)

  • Die tödlichen Wünsche (nach Balzac, Düsseldorf 1959)

  • Die Ermordung Cäsars (nach Shakespeare, Essen 1959)

  • Alkmene (nach Kleist, Berlin 1961)

  • Figaro läßt sich scheiden (nach Horváth, Hamburg 1963)

  • Jacobowsky und der Oberst (nach Werfel, Hamburg 1965)

  • Das Märchen von der schönen Lilie (nach Goethe, Düsseldorf 1969)

  • Ein wahrer Held (nach Synge, Zürich 1975)

  • Das Mädchen von Domrémy (nach Schiller, Stuttgart 1976)

  • Das Rendezvous (nach Schoschtschenko, Hannover 1977)

  • Der jüngste Tag (nach Horváth, Mannheim 1980)

  • Die Fastnachtsbeichte (nach Zuckmayer, Darmstadt 1983)

  • Gervaise Macquart (nach Zolas ›L'assommoir‹, Düsseldorf 1995)

  • Chlestakows Wiederkehr (nach Gogols ›Revisor‹, UA Detmold - 2008)


  • Die Unbekannte (Fragment, UA Detmold - posthum)



Giselher Klebe zum 70. Geburtstag

Juni 1995

In Deutschland gilt der Mannheimer als einer der bedeutendsten Komponisten der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts. Hierzulande ist er dennoch ein beinahe unbeschriebenes Blatt für das Publikum. Klebe ist einer jener handwerklich geschickten Meister, die es verstanden haben, aus den Errungenschaften der Neuen Wiener Schule und der auf den Ausläufern der Romantik fußenden Tradition eine persönliche Summe zu ziehen. Den Graben zwischen dem von vielen Experimenten und »Schreck«-Aktionen verstörten Publikum und den Schöpfern der Avantgarde hat auch er nicht ganz zu überbrücken verstanden.

In vielen seiner Werke findet sich, was gemeinhin als notwendige Verbeugung vor dem Zeitgeist verstanden wird: strenge Organisation des Materials, Weiterentwicklung von Zwölftontechnik und komplizierteren »Rechenstrukturen« in Sachen Rhythmus und Harmonik. Doch Klebe, fruchtbar wie kaum einer seiner Kollegen, schrieb mehr als ein Dutzend Opern, Symphonien, Chorwerke, Kammermusik aller intellektuellen Verbrämung zum Trotz für eine Hörerschaft, die sinnlich erfahren möchte, was ein Komponist ihr jenseits technischer Herstellungs-Zeremonien zu erzählen hätte. Anders wären Klebes Erfolge undenkbar gewesen: »Jacobowski und der Oberst« erbrachte sogar den Beweis, daß auch »komische Oper« noch möglich ist. Viele Bühnen haben diesen Wurf nach der Hamburger Uraufführung nachgespielt. Sein Jubiläum begeht der Komponist hochgeehrt. Er bekleidete wichtige Funktionen im deutschen Musikleben und erhält nach wie vor Aufträge erster Häuser.



↑DA CAPO