Der andere »Wozzeck«
Die anderen »Soldaten«

Manfred Gurlitt (1890 - 1972)


Nur Bergs Übermacht zwingt dieses Werk in die Vergessenheit.

(Crystal)

Gleichzeitig mit Alban Berg komponierte Manfred Gurlitt Büchners Text - gäbe es den Vergleich nicht, eine der besten Opern der Zwischenkriegszeit! Nach 1945 wurden Gurlitt auch noch »Die Soldaten« wegkomponiert . . .

Manfred Gurlitt, 1890 in Berlin geboren, mußte 1933 emigrieren und starb 1972 in Tokio – er war einer jener Musiktheater-Handwerker, die gute Karriere hätten machen können, aber von den Zeitläuften daran gehindert wurden.

Im seinem Fall kommt noch ein bitterer Zynismus der Geschichte hinzu. Nach einem Anfangs-Erfolg mit Die Heilige (1920) arbeitete der Komponist zeitgleich mit Alban Berg an einer Opern-Version von Büchners Wozzeck! Gegen den übermächtigen Konkurrenten hatte Gurlitts durchaus achtbarer - in seiner freitonalen Sprache manchmal Berg durchaus ähnliche - Versuch von Anfang an keine Chance.

Immerhin wagte man sich hie und da an Neu-Versuche mit dem in knappen 80 Minuten pausenlos ablaufenden »kleinen Wozzeck«. Der Mitschnitt einer Produktion mit Roland Hermann in der Titelpartie (unter Gerd Albrecht) erschien auf dem Label Crystal auf CD.

Auch noch die »Soldaten«

Das Folge-Projekt schien jedoch vielversprechend: Gurlitt erkannte die Musiktheater-Tauglichkeit von Jacob Lenz’ sozialkritischen Soldaten (von 1776) und schuf aus der Vorlage ein Libretto. Die Vertonung, die sich harmonisch nicht so weit vorwagt wie Berg oder gar Zimmermann, die eher nach Kurt Weill oder Hanns Eisler klingt, kam 1930 zur Uraufführung. Sie hätte Gurlitts Durchbruch bedeuten können, denn mehrere Häuser spielten den Düsseldorfer Erfolg nach.

Doch zog die Machtübernahme Hitlers 1933 einen Schlußstrich hinter Gurlitts deutsche Karriere. Er wurde für das japanische Musikleben einer der geachteten Vorkämpfer europäischer, vor allem deutscher Opernkultur.

Nach 1945 (historischer Zynismus – Kapitel II) verhinderte eine weitere Verdoppelung die Wiederbeschäftigung mit dem Werk. Bernd Alois Zimmermann gelang mit seiner Soldaten-Version in den Augen vieler Kommentatoren eines der besten Beispiele für die Adaptierung avantgardistischer musikalischer Formen ans Musiktheater. Die Soldaten Zimmermanns wurden zu einer Art Vorzeigestück.

Drei Jahrzehnte nach der Uraufführung schien also auch das Schicksal von Gurlitts Soldaten besiegelt. Und doch besann sich ein Dramaturg Ende der Neunzigerjahre des Titels und blies den Staub von der Partitur, die viele Jahre lang unbeachtet in den Regalen der Wiener Universal Edition lag.

Eine Wiederaufführung in Trier, 1998, geriet - auch dank der tonal weit gefaßten, aber vor allem in den Zwischenspielen romantisch getönten Klangsprache - überzeugend genug, daß sich knapp zwei Jahrzehnte später mit Osnabrück ein zweites deutsches Haus an Gurlitts Soldaten versuchte. Für Raritätensammler gibt es auch von den Soldaten eine Produktion unter Gerd Albrecht auf CD (orfeo).

Der Dirigent

Manfred Grulitt war auch ein gesuchter Dirigent. Er hat in der Schellack-Ära eine einst viel gerühmte Aufnahme des Beethoven-Violinkonzerts mit den Berliner Philharmonikern und dem Solisten Josef Wolfsthal gemacht, die von der Deutschen Grammophon noch Anfang der Siebzigerjahre eine Wiederauflage in der Box Die frühen Jahre für würdig befunden wurde. Außerdem entstanden unter seiner Leitung die ersten Aufnahmen von Fragmenten aus Ernst Kreneks einst so erfolgreicher Oper Jonny spielt auf.




↑DA CAPO