Der gewaltige Hahnrei

Berthold Goldschmidt (1932)


Aufnahmeprojekt »Entartete Musik«

(Decca)

Eines der Opfer der NS-Kulturpolitik: Nach der erfolgreichen Uraufführung im Jahr vor Hitlers Machtergreifung verschwand die Oper des jüdischen Komponisten 1933 schon wieder von den Spielplänen.

Erst sechs Jahrzehnte später durfte Goldschmidt, der 1996 93jährig in London starb, erleben, daß man sich seines Werks besann: RIAS Berlin produzierte unter Lothar Zagroseks Leitung eine prominent besetzte konzertante Aufführung, die für CD mitgeschnitten wurde.

Das Stück ist eine für jene Ära typische schlüpfrige Geschichte mit sexualpathologischen Konnotationen. Der Dorfschreiber Bruno ist zwar unsterblich in seine schöne Frau verliebt, pflegt aber seine grundlose Eifersucht so konsequent, daß er sie zuletzt zur Freizügigkeit animiert und schließlich an den Kuhhirten verliert, der von Anfang an versucht, die Frau zu erobern, aber lange an deren unverbrüchlicher Treue zu ihrem Ehemann scheitert.
Der »Verlust« geht schrittweise vor sich und hat teils exhibitionistisch-masochistische Züge - zunächst bringt Bruno seine Frau dazu, ihre Brust vor ihrem Cousin zu entblößen, bald führt er ihr einen jungen Mann zu, der ihn um Hilfe gebeten hat, für ein ganz anderes Mädchen einen Liebesbrief zu verfassen.
Zuletzt erscheint Bruno selbst, verkleidet, als Freier bei seiner Frau, die ihn einläßt, weil sie die Stimme erkennt. Als sie die Eifersucht nicht länger erträgt, gibt sie sich dem Kuhhirten hin und flieht mit ihm. Bruno, der zunächst an eine Finte glaubt, bleibt verzweifelt allein zurück.
Umgeben sind die handelnden Personen von einer geifernden Dorfgemeinschaft, die nicht davor zurückscheut, die junge Frau der Hexerei anzuklagen und sie gern auf dem Scheiterhaufen sähe.

Das Sujet galt zur Zeit der Uraufführung als problematisch - vor der Mannheimer Uraufführung nahm der Regisseur einige Glättungen und Kürzungen vor. Dennoch regte sich während der Vorstellung Protest, vermutlich von NS-Sympathisanten geschürt. Am großen Erfolg der Uraufführung konnte das nichts ändern. Aus Angst vor weiteren Ausschreitungen gegen den Komponisten und sein Werk setzte die Intendanz den Hahnrei aber bald vom Spielpan ab. Aus der geplanten Berliner Premiere wurde nichts mehr.




↑DA CAPO