Il tamplario

Otto Nicolai.
Uraufführung: 1840, Turin.

Hintergründe:

Otto Nicolai, in Ostpreußen - im selben Jahr 1810 wie Robert Schumann und Frédéric Chopin geboren - schuf 1840 ein italienisches Melodramma, das zum Welterfolg wurde. Der Templario nach einem Libretto von Girolamo Maria Marini, orientiert sich an Walter Scotts Roman Ivanhoe, der schon als Grundlage für ein Pasticcio von Gioacchino Rossini und eine Oper von Heinrich Marschner Die Jüdin und der Tempelherr diente. Ende des XIX. Jahrhunderts schrieb noch Arthur Sullivan eine Ivanhoe-Oper.

Nicolai hat seine Partitur immer wieder umgearbeitet. Schon vor der Premiere ersetzte er das ursprünglich vorgesehene Happy End durch ein tragisches Finale. Auch bei Folgeaufführungen gab es immer wieder Änderungen durch den Komponisten.

Um 1900 war das Werk dann beinah vergessen. In den Wirren zweier Weltkriege verlor sich das Aufführungsmaterial. Die einzig bekannte Orchesterpartitur verbrannte 1943 in Berlin. Doch fand sich nach akribischer Forschung Material in verschiedenen Opernarchiven, das zur Wiederherstellung einer Spielfassung durch Michael Wittmann benutzt werden konnte. Die erste Produktion aus diesem Material erfolgte 2008 in Chemnitz; eine viel beachtete konzertante Aufführung in luxuriöser Besetzung gab es 2016 bei den Salzburger Festspielen.


Das Stück



Kreuzzüge. Judenverfolgung. Hexenwahn. Schlachten mit siegreichen Normann und besiegten Angelsachsen.

Nicolai gelingt es namentlich im zweiten Akt seiner Oper, den dramatischen Knoten spannend zu schürzen. Die explosive Kraft mancher Szenen erinnert an Verdi. Zunächst entwickelt sich das Geschehen freilich schablonenhaft, ganz nach dem Typus Belcanto-Oper. Die Männer präsentieren sich, dann die Frauen - und der Chor stimmt ein Jubellied an. Ein geheimnisvoller Unbekannter (Tenor, wir wissen, es handelt sich um Vilfredo Ivanhoe) erringt einen Turniersieg über den bis dahin als unbesiegbar geltenden Normannen Briano (Bariton).

Von Walter Scotts hintergründiger Romanhandlung, die um ein »Neues England« jenseits der Frontlinien zwischen Eroberern und Besiegten ringt, bleiben die scharfen Kontraste: Der Angelsachse Cedric behütet seine Ziehtochter Rovena, die seinen Sohn Vilfredo liebt.

Doch Cedric verstößt seinen Sohn, weil der sich dem Kreuzzug des normannischen Königs Richard Löwenherz angeschlossen hat.

Als Vilfredo verwundet wird, pflegt ihn die Jüdin Rebecca gesund. Sie verliebt sich in ihn und geht auf seinen Spuren, verjagt vom Liebeswerben des Templers Briano, nach England. Doch Briano folgt ihr und versucht sie mit allen, auch den brutalsten Mitteln zu gewinnen, auch wenn er dabei seine Ehre als Tempelritter aufs Spiel setzt.

Zuletzt fällt Gott das Urteil, richtet Briano und Rebecca stirbt, überwältigt von ihren Emotionen. Ivanhoe und Rovena aber sind vereint.

Von Szene zu Szene wechseln die Gefühlslagen. Nicolai malt sie nicht nur mit Melodien, sondern auch mit raffiniert abgemischten Orchesterfarben aus. Stilistisch ist die Partitur kaum einzuordnen, hier klingt sie italienisch, da deutsch. Rebeccas Gebet vor der drohenden Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen klingt nach protestantischem Choral.

Die Gesangspartien stellen höchste Ansprüche, nicht zuletzt ans hohe Register. In Salzburg brillierte 2016 → Juan-Diego Flórez als Vilfredo (bis zum hohen Cis). Luca Salsi zog als beängstigende Finsterling Briano alle Register baritonaler Durchschlagskraft.


Die Erstaufführung aus dem rekonstruierten Material wurde 2008 in Chemnitz wieder aufgeführt und für CD mitgeschnitten. (CD)

↑DA CAPO

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