Paul Hindemith

1895 - 1963

Der im November 1895 in Hanau geborene Paul Hindemit war ein musikalisches Naturtalent.

Mit 14 Jahren war er bereits Student des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt, unter anderem in den Kompositions-Klassen von Arnold Mendelssohn und Bernard Sekles.
Mit 19 war er Erster Konzertmeister der Frankfurter Oper, aber auch als Kammermusiker omnipräsent im deutschen Musikleben, nicht zuletzt als Bratschist des Amar-Quartetts. Von den Instrumenten des klassisch-romantischen Orchesters beherrschte er einen Großteil zumindest auf gutem, manche auf außerordentlichem Niveau.
Als Geiger und Bratschist trat er häufig auch solistisch in Erscheinung, als Interpret seiner eigenen wie auch fremder Werke.
Als Komponist etablierte er sich zunächst auf den Festen zeitgenössischer Musik in Donaueschingen und Baden-Baden als Bürgerschreck, der sein enormes handwerkliches Können ganz in den Dienst der Sache des musikalischen Fortschritts stellte: Um das Publikum aus den Gewohnheiten des romantischen, bürgerlichen Konzert- und Opernbetriebs zu reißen, baute er Elemente der modernen amerikanischen Unterhaltungsmusik in klassische europäische Formen ein, schockierte mit der Verwendung ungewöhnlicher Instrumente – etwa Sirene und Sandbüchse.

Provokante Libretti

Vor allem aber provozierte Hindemith durch die Verwendung von Operntexten, die den frechen Geist des Unterhaltungslebens im Deutschland der Zwischenkriegszeit widerspiegeln und gegen sämtliche Tabus verstießen. Vom blasphemischen Nonnen-Stück Sancta Susanna reicht der Bogen bis hin zum Opernscherz namens Neues vom Tage, eines jener für die zwanziger Jahre typischen satirischen Zeitstücke, in dessen Aufführung sich fataler Weise eines Tages ein Mann namens Adolf Hitler verirrte.

Hitlers Zorn

Die Tatsache, dass in jenem Stück eine – scheinbar – nackte Dame eine Arie in der Badewanne sitzend zu singen hat, verzieh der nachmalige »Führer des deutschen Reichs« dem Komponisten nie. Und das obwohl Hindemiths Schaffen von Anbeginn auch eine höchst ernsthafte, die große Tradition der deutschen Musik fortführende Komponente aufwies. Denn neben provokanten Werken des Bürgerschrecks Hindemith entstanden parallel solide, handwerklich exzellent gearbeitete Stücke vom Streichquartett bis zu Opern vom Zuschnitt der E.T.A. Hoffmann-Vertonung Cardillac oder der Rilke-Liederzyklus Das Marienleben. Diese Kompositionen offenbaren den ernsthaften Meister, der gewillt war, die Herausforderung der großen europäischen Tradition aufzunehmen.

Stilistische Klärung

Im Zuge dieser schöpferischen Ausein-andersetzung mit großen Vorbildern, aber auch dank der stets praxisbezogenen, bald zur pädagogischen Aktivitäten führenden Geisteshaltung Hindemiths, klärte sich sein musikalischer Stil. Die rüden, unbehauenen Protest-Klänge des jugendlichen Feuergeistes wichen einem spürbar traditionsbewussten, zeitweilig bewusst klassizistischen Stil. Dieser schien späteren Generationen als konservative Kehrtwendung.

Adornos Verdikt

Hindemith galt in den Augen der Generation Theodor W. Adonos nach 1945 als mindestens so suspekt wie der Romantiker Richard Strauss, der die Ideale der Avantgarde spätestens mit seinem Rosenkavalier verraten hatte.

Cardillac

Mathis der Maler