Macbeth
Richard Strauss (1887/88)
Der große Musikdramatiker Richard Strauss hat sein Lehrgeld bezahlt: Die Behandlung der Stinstimme übte er als Komponist unzähliger Lieder. Das Instrumentieren und die psychologische Orchester-Sprache an seinen symphonischen Dichtungen.
Auf den noch viersätzigen Erstversuch mit Aus Italien folgte mit dem Don Juan ein Macbeth die erste einsätzige Tondichtung - und der einzige Versuch von Strauss, das Theater in den Konzertsaal zu holen. Shakespeares Tragödie wählte er zum Vorbild und schuf zunächst ein - nicht nur an Liszt, sondern auch an Beethovens programmatischen Ouvertüren orientiertes - zerklüftet-dramatisches Tongemälde, das mit einem Triumphmarsch des Macduff schloß.
Hier hakte Hans von Bülow ein, dem Strauss den Erstentwurf zeigte: Beethovens Egmont-Ouvertüre konnte mit einem Triumphmarsch schließen, lautete Bülows Kritik, für ein Werk mit dem Titel Macbeth sei hingegen ein Siegesmarsch des Macduff am Ende undenkbar.
Strauss griff den dramaturgischen Ratschlag willig auf und erstellte eine Zweitfassung seines Werks.
Diese konnte er mit den Orchestern von Mannheim und Meiningen einstudieren und gründlich erarbeiten - ohne sie öffentlich aufzuführen.
Auf Grund der dieserart gewonnenen Erfahrungen überarbeitete Strauss die Partitur ein weiteres Mal. Auch Vater Franz Strauss drängte ihn zu Glättungen, Sichtungen, Klärungen, indem er schrieb:
Man kann, ohne zu experimentieren, mit großen noblen Gedanken in einfachem Kleide ohne den großen Instrumentalglanz, das Größte leisten, und wird dann jederzeit und von Jedermann verstanden. Alle großen Künstler haben zu allen Zeiten mit den eifnachsten Mitteln das Großartigste geleistet, denke nur an die griechischen Plastiker und an die großen italienischen Maler des Mittelalters.
Nach der Uraufführung des Macbeth im März 1891, legte Strauss das letzte Mal Hand an sein Manuskript.
Durch zu viele Mittelstimmen kommen an vielen Stellen die Hauptthemen nicht so plastisch heraus, als ich es wünschte,
schrieb er an seinen Freund und Mentor Alexander Ritter. Eine Aufführung in Berlin, 1892, klang dann so, wie er sich das Werk vorstellte, »fabelhaft und in aller Klarheit«.
Nun war auch Hans von Bülow zufrieden und schrieb an den Komponisten:
Übrigens macht es mir großes Vergnügen, Ihnen hiermit zu bekennen, daß mir die Umarbeitung Ihres »Macbeth« trotz aller Herbheiten und Materialmonstrositäten hoch imponiert hat. Ich sympathisiere ... weit mehr mit diesem Opus als mit den vorangehenden T und V, ich finde darin mehr Logik und Genialität.
Historisch betrachtet, ist Macbeth ein wichtiger Schritt für den Instrumentations-Meister Strauss, der sein Orchester mehr und mehr differenziert und zu einer psychologischen Polyphonie führt, bei der jede kleinste Nebenstimme im Dienste des dramaturgischen Ausdrucks und der musikalischen Erzählung steht.
Programmatisch detaillierte Hinweise auf die »Szenenfolge« in seiner Shakespeare-Tondichtung hat Strauss nicht gegeben. Die beiden kleinen Ausnahmen seien hier angemerkt:
Unter dem ersten Thema (d-Moll) steht in der Partitur Macbeth, unter dem »Seitensatz« in A-Dur Lady Macbeth.
Beim Thema der Lady vermerkt Strauss überdies
O Eile! Eile her, damit ich meinen Geist in deine gieße, durch meine tapfere Zunge dieser Zweifel und Furchtgespenster aus dem Felde schlage, die dich wegschrecken von dem goldenen Reif, womit das Glück dich gern bekrönen möchte.