Don Juan op. 20

Richard Strauss (1889)

Es war nicht der Erstversuch im Genre »Symphonische Dichtung« für Richard Strauss. Aber mit dem Don Juan war er ganz da. Er springt quasi mit einer kühnen Pirouette auf die Bühne der großen Symphonik: ein aus brodelnder Tiefe hochschießende C-Dur-Fontäne führt ins kraftvoll losstürmende E-Dur-Thema des Titelhelden: E-Dur, für Strauss lebenslang die »erotische Tonart«, die Tonart der Liebesszenen im Rosenkavalier, in der Arabella und in der Daphne. Sie gehört dem Don Juan, der seine Eroberungen macht - und bald nach Beginn auch mittels breit strömender Charme-Offensive in H-Dur beweist, daß er nicht nur die jähe Überwältigung, sondern auch die behutsam gesteigerte Liebeswebung beherrscht. (Das hier ekstatisch gesteigerte Motiv war zuvor bereits in E-Dur als quasi weiblicher Gegenpart zum männlich kraftvollen Hauptthema präsentiert worden.)
Noch subtilere Waffen braucht es angesichts einer einer schüchternen jungen Dame, die sich mit einer zarten Oboen-Melodie im bukolischen G-Dur vorstellt.

In C-Dur steht schließlich der unbesiegbare Eroberer vor uns: Das Hornthema bereitet eine grandiose Steigerung vor, die zur Reprise des Eingangs-Aufschwungs führt, der diesmal in ein Furioso mündet, dem Don Juans erste, bittere Niederlage folgt.

Ein neuer Anlauf führt ins Nichts.
Vielleicht ein Blitz, aus Höh'n, die ich verachtet,
Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen,
Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet;
Vielleicht auch nicht; - der Brennstoff ist verzehrt,
Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.
So schließt Nikolaus Lenaus Gedicht, das Strauss als Inspirationsquelle für sein himmelstürmendes Werk diente, das in trostlosem e-Moll verdämmert.

Die Vorlage

Lenaus Versepos Don Juan hat Richard Strauss zu seiner Tondichtung inspiriert. Der Partitur stellte der Komponist drei Fragmente aus dem Gedicht voran. Ein Blick über den »Tellerrand« dieser ausgewählten Verse bietet vielleicht noch mehr Einblick in die Stimmungswelt, an der sich Strauss' Klang-Fantasie entzündet hat:

Den Zauberkreis, den unermeßlich weiten,

Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten

Möcht ich durchziehn im Sturme des Genusses,

Am Mund der Letzten sterben eines Kusses.

O Freund, durch alle Räume möcht ich fliegen,

Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor jede

Und, wärs auch nur für Augenblicke, siegen.

Ja, mit den Zeiten selbst leb ich in Fehde.

Wenn ich ein schönes Mädchenkind erblicke,

So muß ich grollen dem Geschicke,

Daß ich und sie nicht wurden Zeitgenossen;

Ich bin ein Greis, bis ihre Blüt erschlossen.

Und schau ich eine stattliche Matrone,

Von der noch jetzt entzückte Alte sagen:

»Einst war sie reizend, aller Schönheit Krone!«

So möcht ich wandeln in vergangnen Tagen.

Zusammenwerfen möcht ich Raum und Zeit,

Die Leidenschaft ist wild und überschwenglich;

Weil sie der Durst verzehrt nach Ewigkeit,

Drum seht ihr sie so flüchtig und vergänglich.

Zuweilen auch ist seltsam mir zu Mut,

Als wäre, was mir durch die Adern zieht,

Entfremdet einem höheren Gebiet,

Ein Geist verirrt, verschlagen in mein Blut;

Ein Ferge, der im Strom des Blutes treibt

Und nirgendwo an einer Stelle bleibt,

Der nie gewinnt den Frieden fester Landung,

Weil ihm entsank sein Ruder in die Brandung.

Hinwiederum verzaubert er mein Blut,

Daß jeder Tropfen pocht in trunkner Wut;

Es fühlt der Geist, der alles will umfassen,

Im einzlen sich verkerkert und verlassen; –

Er ist es, der mich ewig dürsten heißt

Und mich von Weib zu Weib verderblich reißt.

Die schönste Frau entzückt mich ohne Dauer,

Der Reize tiefster, bald erschöpfter Bronnen

Verweist den Durst hinweg nach neuen Wonnen,

Besitz erzeugt mir Leere, öde Trauer.

... ...

Du mußt an meine Weise dich gewöhnen.

Ich fliehe Überdruß und Lustermattung,

Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen,

Die einzle kränkend, schwärm ich für die Gattung.

Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft,

Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft.

Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre

Im weiten Kreis der schönen Frauen,

Ist meine Lieb an jeder eine andre,

Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen.

Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue;

Sie läßt sich nicht von der zu jener bringen,

Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen,

Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.

Wie jede Schönheit einzig in der Welt,

So ist es auch die Lieb, der sie gefällt.

Hinaus und fort nach immer neuen Siegen,

Solang der Jugend Feuerpulse fliegen!

... ...

Von Schwermut weiß ich nichts, mein Freund, ich hasse

Am Mann das Klagendweiche, Tränennasse.

Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben,

Er hat vertobt, und Stille ist geblieben.

Steintot ist alles Wünschen, alles Hoffen;

Vielleicht ein Blitz aus Höhn, die ich verachtet,

Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen,

Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet;

Vielleicht auch nicht; – der Brennstoff ist verzehrt,

Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.

Einst über einer Heid in dunkler Nacht

Sah ich den Himmel glühn in roter Pracht,

Als flammt' in Lüften hoch ein Meteor,

Und als ich näher kam, wars brennend Rohr;

Und als die Binsenglut in Asche fiel,

War schwarz der Himmel, aus das Farbenspiel.

So ist vielleicht der Liebe Zauberei

Nur Himmelswiderschein vom Erdenbrand,

Und wenn der Stoff verzehrt in Asche schwand,

Ist auch das Rosenspiel der Nacht vorbei.

... ...

Erinnerungen, einst geliebte Damen!

Bis auf die letzte Blüte abgedorrt,

Einst Himmelsklang, was nun ein schales Wort;

Wie schnell die Dinge welken und die Namen!

Erinnerung läßt mich noch einmal wandern

Von einer dieser Holden hin zur andern. –

Sinnvoller Brauch, den Göttern alle Jahre

Die Erstlinge zu opfern am Altare;

Wie lieblich ist das erste Grün der Blätter,

Der erste Duft und Sang im Frühlingswetter!

Wie wonnevoll zur See am fernen Rand

Der erste Blick auf das ersehnte Land!

Am hellsten blühn des Ruhmes erste Kränze,

Am süßesten berauscht der erste Kuß;

Wenn jenseits noch ein Himmel ist, so muß

Auch er am schönsten sein an seiner Grenze.

Drum war der Liebe Süßestes zu nennen

Der erste Anhauch neuer Leidenschaft;

Die Wehmut, daß sich alte Zauber trennen,

Erhöht des neuen Glückes Reiz und Kraft.

O daß versiegen muß der reichste Bronnen!

O könnten sterben wir in jeder Lust

Und neu geboren, mit verjüngter Brust,

Entgegenstürzen immer neuen Wonnen!



↑DA CAPO