Eine Alpensinfonie
Richard Strauss (1916)
»Der Antichrist« -- »Eine Alpensinfonie« steht über dem ersten Skizzenblatt zu Richard Strauss letzter großer Tondichtung, die während der Arbeit zur Oper Die Frau ohne Schatten und zum Ballett Josephslegende ihre endgültige Gestalt annahm.Wie schon bei Also sprach Zarathustra stand also Friedrich Nietzsches Philosophie für Strauss' Musik Pate.
Doch so wenig der Zarathustra komponierte Philosophie geworden war, so wenig wurde auch dieser Antichrist zu einem tönenden Pamphlet.
Vielmehr gelang Strauss mit seiner längsten Tondichtung eine Hymne an die Natur, ihre Faszination und ihre Gewalt.
Ursprüngliche Gedanken
Erste Skizzen unter diesem Titel finden sich schon in Strauss' Skizzenbüchern der Zeit nach Vollendung der Tondichtung Ein Heldenleben. Der Komponist, noch nicht von der Leidenschaft für das Musiktheater befallen, trug sich um die Jahrhundertwende eine Zeitlang mit dem Gedanken, eine viersätzige Symphonie als Tönendes Portrait des schweizerischen Künstler Karl Stauffer-Bern zu schreiben, der - wie Nietzsche - in geistiger Umnachtung starb; und der ein leidenschaftlicher Bergsteiger war. Die Skizzen für den ersten Satz waren weit gediehen. Strauss ließ sie liegen und nahm sie später wieder auf, um sie zur einsätzigen symphonischen Dichtung umzuformen.Das zugrundeliegende Programm schildert eine Bergwanderung vom Aufstieg vor Sonnenaufgang über liebliche Almen und Matten über den Gletscher auf den Gipfel, gefahrvolle Augenblicke und überwältigende Eindrücke inbegriffen.
Zu einem virtuosen kompositorischen Akt wird das Finale dieser »Symphonie«, die das klassische Prinzip der Reprise neu definiert: Den Abstieg vom Gipfel müssen die Wandersleute während eines heftig tobenden Gewitters absolvieren, in eine Höllentempo - so kehren alle Episoden des Werks noch einmal wieder, von Sturmesböen umtost, also entsprechend verzerrt, in viel schnellerem Tempo und natürlich in umgekehrter Reihenfolge, so daß sich nach der Heimkehr der Bogen schließt: Der Sturm hat sich gelegt, die Nacht bricht wieder herein und die dunkle Anfangsstimmung des Werks kehrt wieder.
Das Prinzip der Formgebung durch die poetische Idee, das seit der Sinfonie fantastique von Hector Berlioz für die Komponisten von sogenannter »Programm-Musik« verbindlich war, wird von Richard Strauss in seiner Alpensinfonie, wie der Antichrist letztlich nur noch hieß, auf die Spitze getrieben - und recht eigentlich zu seinem historischen Ende geführt.
Die einzelnen Abschnitte
* Nacht
* Sonnenaufgang
* Der Anstieg
* Eintritt in den Wald
* Wanderung neben dem Bache
* Am Wasserfall
* Erscheinung
* Auf blumigen Wiesen
* Auf der Alm
* Durch Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen
* Auf dem Gletscher
* Gefahrvolle Augenblicke
* Auf dem Gipfel
* Vision
* Nebel steigen auf
* Die Sonne verdüstert sich allmählich
* Elegie
* Stille vor dem Sturm
* Gewitter und Sturm, Abstieg
* Sonnenuntergang
* Ausklang
* Nacht.