18. Mai 2011
Über die lustige Witwe
Gespräch mit dem Regisseur Marco-Arturo Marelli vor der Volksopern-Premiere - über seine ersten Erfahrungen als Operettenregisseur und die Modernität eines viel gespielten, von der Popularität angekränkelten Stücks.
Marco Arturo Marelli bereitet in der Volksoper eine Neuinszenierung von Lehars »Lustiger Witwe« vor. Es ist das erste Mal, dass der im Opernbereich auch in Wien so erfolgreiche Regisseur sich an eine Operette wagt. Und dann gleich an eine der meistgespielten des Repertoires. Im Gespräch erzählt er, was er an dieser Herausforderung liebt: »Operette«, sagt er, »bedeutet nicht nur Musiknummern - wie im Fall dieses Werks wirklich eine herrliche Nummer nach der andern -, sondern auch Dialoge. Und diese Dialoge sind nicht einfach Übergänge von einer zur anderen Musiknummer. Daran muss hart gearbeitet werden.«
Warum Lehar gerade mit der »Witwe« 1905 einen Sensationserfolg landen konnte, der zum Meilenstein in der Geschichte des Genres wurde, darüber hat Marelli seine Theorien: »,Die lustige Witwe'«, sagt er, »ist ein Meisterwerk und schildert in Wahrheit einen erotischen Kampf. Der ist von den Autoren bereits hervorragend entwickelt. Ich komme daher ohne jedes Beiwerk aus. Wir erfinden nichts dazu. Wir nehmen das Stück, wie es ist.« Man muss nichts hinzuerfinden, um die Brisanz der Dialoge anzuheizen.
»Die beiden«, schildert Marelli die Hauptpersonen, Hanna Glawari und Danilo, »wissen zwar, dass sie zusammengehören. Das Publikum weiß ja auch von Anfang an, dass sie sich kriegen. Aber im Stück streiten sie unentwegt. Das allein wäre banal, aber es ist mehr als das: Man weiß und spürt, dass sich diese beiden Menschen lange kennen und einander furchtbar wehgetan haben. Beide sind gekränkt und verletzt Aber beide haben einen Dickkopf. Deshalb können sie nicht aufeinander zugehen.«
Musik sagt, was »Lippen verschweigen«
Was im Text aber wie ein fortwährender aussichtsloser Kampf wirkt - »einmal gewinnt er, dann sie« -, wird von der Musik auf eine höhere Ebene gehoben. Hier wirkt Lehars musikdramatisches Genie: »Verbal streiten die beiden zwar nur, aber wenn der verbale Schlagabtausch aufhört, sagt plötzlich der Körper, was die Gefühle wirklich zu sagen haben. ,Lippen schweigen', das berühmte Duett, beginnt als Tanz und wird ursprünglich nur gesummt. Damit ist für mich in Wahrheit schon 1905 der Grundstein zum Musical gelegt: Die Musik kehrt die Erotik ihres Innenlebens heraus.«
Marelli weiß einen prominenten Zeugen für die Qualität der »Lustigen Witwe« zu benennen: »Es ist ein unglaublich modernes Stück. Und ich wundere mich nicht, dass Gustav Mahler es so gern hatte. Es gibt in dieser Partitur nämlich wie in seinen eigenen Werken auch Momente des Innehaltens und der Erinnerung an früher. Bei Mahler finden wir in der Musik ja die Katastrophe seines Lebens, aber es dämmern hier und da Dinge herauf aus einem Reich, wo alles heil war - ein Posthorn, ein Kuckucksruf. Und auch Lehar schreibt einmal vor: ,Naiv, im Volkston'. Da wird von einer Zeit gesungen, als die beiden glücklich waren.«
Zur musikalischen Dramaturgie gehören Missverständnisse: »Sie schicken einander Signale. Hanna erzählt im Vilja-Lied ihre Geschichte, Danilo will sie missverstehen. Er gibt mit der Ballade von den Königskindern die Retourkutsche. Wobei wir wissen müssen: Was wir von der ,Witwe' kennen, ist die Version, die sich ab der 300. Aufführung ergeben hat. Viele Dinge - etwa Hannas Bemerkung über die Gleichberechtigung der Frau - findet man nur in der Originalversion! Spätere Änderungen erklären sich zwar aus der Praxis, aber man muss wissen, wo die Dinge herkommen. Dann kann man mit Klischees aufräumen, wie sie sich bei so einem Stück zwangsläufig ergeben.«
Warum Lehar gerade mit der »Witwe« 1905 einen Sensationserfolg landen konnte, der zum Meilenstein in der Geschichte des Genres wurde, darüber hat Marelli seine Theorien: »,Die lustige Witwe'«, sagt er, »ist ein Meisterwerk und schildert in Wahrheit einen erotischen Kampf. Der ist von den Autoren bereits hervorragend entwickelt. Ich komme daher ohne jedes Beiwerk aus. Wir erfinden nichts dazu. Wir nehmen das Stück, wie es ist.« Man muss nichts hinzuerfinden, um die Brisanz der Dialoge anzuheizen.
»Die beiden«, schildert Marelli die Hauptpersonen, Hanna Glawari und Danilo, »wissen zwar, dass sie zusammengehören. Das Publikum weiß ja auch von Anfang an, dass sie sich kriegen. Aber im Stück streiten sie unentwegt. Das allein wäre banal, aber es ist mehr als das: Man weiß und spürt, dass sich diese beiden Menschen lange kennen und einander furchtbar wehgetan haben. Beide sind gekränkt und verletzt Aber beide haben einen Dickkopf. Deshalb können sie nicht aufeinander zugehen.«
Musik sagt, was »Lippen verschweigen«
Was im Text aber wie ein fortwährender aussichtsloser Kampf wirkt - »einmal gewinnt er, dann sie« -, wird von der Musik auf eine höhere Ebene gehoben. Hier wirkt Lehars musikdramatisches Genie: »Verbal streiten die beiden zwar nur, aber wenn der verbale Schlagabtausch aufhört, sagt plötzlich der Körper, was die Gefühle wirklich zu sagen haben. ,Lippen schweigen', das berühmte Duett, beginnt als Tanz und wird ursprünglich nur gesummt. Damit ist für mich in Wahrheit schon 1905 der Grundstein zum Musical gelegt: Die Musik kehrt die Erotik ihres Innenlebens heraus.«
Marelli weiß einen prominenten Zeugen für die Qualität der »Lustigen Witwe« zu benennen: »Es ist ein unglaublich modernes Stück. Und ich wundere mich nicht, dass Gustav Mahler es so gern hatte. Es gibt in dieser Partitur nämlich wie in seinen eigenen Werken auch Momente des Innehaltens und der Erinnerung an früher. Bei Mahler finden wir in der Musik ja die Katastrophe seines Lebens, aber es dämmern hier und da Dinge herauf aus einem Reich, wo alles heil war - ein Posthorn, ein Kuckucksruf. Und auch Lehar schreibt einmal vor: ,Naiv, im Volkston'. Da wird von einer Zeit gesungen, als die beiden glücklich waren.«
Zur musikalischen Dramaturgie gehören Missverständnisse: »Sie schicken einander Signale. Hanna erzählt im Vilja-Lied ihre Geschichte, Danilo will sie missverstehen. Er gibt mit der Ballade von den Königskindern die Retourkutsche. Wobei wir wissen müssen: Was wir von der ,Witwe' kennen, ist die Version, die sich ab der 300. Aufführung ergeben hat. Viele Dinge - etwa Hannas Bemerkung über die Gleichberechtigung der Frau - findet man nur in der Originalversion! Spätere Änderungen erklären sich zwar aus der Praxis, aber man muss wissen, wo die Dinge herkommen. Dann kann man mit Klischees aufräumen, wie sie sich bei so einem Stück zwangsläufig ergeben.«