Il sogno di Scipione

Wolfgang A. Mozart

Serenata drammatica in einem Akt
Libretto: Pietro Metastasio
Uraufführung: 1. Mai 1772 Salzburg

Scipio (Tenor) – Costanza (Sopran) – Fortuna (Sopran)

Der Feldherr Scipio liegt in tiefem Schlaf in seinem Palast. Im Traum erscheinen ihm die Göttinnen Costanza und Fortuna und befehlen ihm, sich zu einer von ihnen zu bekennen. Scipio erbittet Bedenkzeit. Man führt ihn in den Himmelstempel, wo er seine Ahnen befragt. Im Chor der Helden erheben sich die Stimmen von Publius, der die Tugend besingt und Emilio, der über die Eitelkeit des Erdendaseins philosophiert. Die Bitte Scipios, sich ihnen anschließen zu dürfen, wird verwehrt: Er müsse sich die Aufnahme in den himmlischen Kreis erst verdienen. Rat im Streit zwischen Costanza und Fortuna muß er selbst suchen. Scipio erwählt Costanza, was Fortuna in Rage bringt. Ihrem Zürnen zum Trotz kehrt der Feldherr zur Erde zurück, entschlossen, seiner erwählten Schutzgöttin treu zu bleiben.

Hintergründe

Der „Traum des Scipio“ ist gewiß eines der am wenigsten dramatischen Bühnenwerke Mozarts. Das Sujet bedingt eine gewisse Statik, geht es doch vorrangig um Ideen, um Gedanken, die hier vor dem Hörer entwickelt werden. Metastasios Libretto ist zum Zeitpunkt der Entstehung von Mozarts Komposition bereits Jahrzehnte alt. Es entstand 1735 zur Feier des Geburtstages von Kaiser Karl VI. im Auftrag der Kaiserin Elisabeth. Luca Predieri war der Komponist. Wie alle Metastasio-Libretti wurde auch dieses später mehrfach vertont. Es bildet aber keineswegs die erste Grundlage für „Scipio“-Opern. Bemerkenswerte Vertonungen des Stoffes stammen aus den Federn von Cavalli (bereits 1664), Alessandro Scarlatti (1714), Baldassare Galuppi (1742), Johann Christian Bach (1765) und – nach Mozarts Tod – von Nicolas Méhul (1795) und Saverio Mercadante (1821). Der Stoff stammt aus „De re publica“ von Cicero. Metastasio verwendet den Schlußteil des Werks, das den „Somnium Scipionis“ enthält. Mozart beginnt die Komposition des Librettos im Frühjahr 1771. Die Oper ist als Huldigung an den regierenden Fürsterzbischof von Salzburg, Graf von Schrattenbach, aus Anlaß des 50. Jahrestages von dessen Priesterweihe gedacht. Für 10. Jänner 1772 sind die Feierlichkeiten anberaumt. Doch der Fürsterzbischof stirbt unerwartet am 16. Dezember 1771. Mozart ist gezwungen, die Widmungskomposition umzuarbeiten. Spätere Untersuchungen erweisen, daß er lediglich die sogenannten Licenza, die Reverenz an den Widmungsträger, korrigiert und den Namen Girolamo an Stelle des geplanten Sigismondo setzt. Hieronymus Graf Colloredo wird Nachfolger Schrattenbachs. Es ist aber keineswegs sicher, daß der Plan, den „Sogno di Scipione“ als Huldigungsfestspiel zur Krönung des neuen Fürsterzbischofs aufzuführen, gelungen ist. Der Komponist verwertet 1772 jedenfalls die Ouvertüre zu dem Werk und ergänzt sie durch ein Final-Presto zur Symphonie (KV 141a). Die Musik zum Drama reagiert zwar nicht in revolutionierender Weise auf die Starrheit der formalen Vorgaben in Metastasios Dichtung (wie später „Clemenza di Tito“). Doch ist zu spüren, wie sensibel der 15jährige die Zeichen der Zeit erkennt und die Chancen nutzt, die allzuruhige Handlung durch musikalische Straffung voranzutreiben. An die Stelle der damals noch geradezu sakrosankten Da-capo-Arien, in denen der erste Abschnitt der dreiteiligen Komposition nach dem Mittelteil zur Gänze wiederholt wird, setzt Mozart verkürzte Reprisen, sogenannte Dal-Segno-Arien, die den Beginn der Arie bei der Wiederholung kappen, oder überhaupt neu komponierte, nur Elemente des ursprünglichen Arienbeginns nutzende Rekapitulationen. Schon die zweite Gesangsnummer, die Arie der Fortuna (C-Dur), geht entsprechend originell mit dem Material um: Mozart zitiert das Hauptthema des ersten Abschnitts bereits gegen Ende des F-Dur-Mittelteils, erzielt also in jenem Moment den in der Instrumentalmusik so beliebten Effekt einer Scheinreprise. Insgesamt bleibt die vom Text und der Konvention vorgegebene Form freilich im „Sogno di Scipione“ noch erhalten. Der Komponist reiht Arien und Secco-Rezitative aneinander. Nur einmal, nachdem Scipio in einer virtuos verzierten B-Dur-Arie seine Entscheidung begründet, bricht die Musik in ein modernes, vom gesamten Orchester begleitetes sogenanntes Accompagnato-Rezitativ aus: Es stellt als Schlußpunkt der Handlung, vor der abschließenden Licenza, den furiosen Wutausbruch der abgewiesenen Glücksgöttin dar, samt dazugehörigen Blitzen und Donnerschlägen, die mit rasanten Läufen und Tremoli musikalisch nachgezeichnet werden.

↑DA CAPO