Der Schauspieldirektor

Wolfgang A. Mozart

Libretto: Johann Gottlieb Stephanie d. J.

7. Februar 1786, Orangerie des Schlosses Schönbrunn.

Frank, Schauspieldirektor (Schauspieler) – Madame Herz, Sängerin (Sopran) – Mademoiselle Silberklang, Sängerin (Sopran) – Monsieur Vogelsang, Sänger (Tenor) – Buff, Schauspieler (Baß) – Eiler, ein Bankier (Schauspieler) – Herz, Schauspieler (Schauspieler) – Madame Pfeil, Madame Krone, Madame Vogelsang, Schauspielerinnen (Schauspielerinnen)

Was die Wiener Zeitung am 8. Februar 1786, vermeldet, ist ein auch im theaterverwöhnten Wien äußerst ungewöhnliches Bühnenereignis von historischer Dimension:
Diensttags gaben Se. Maj. der Kaiser den durchlauchtigsten Generalgouverneuren der k. k. Niederlanden und einer Gesellschaft des hiesigen Adels ein Lustfest zu Schönbrunn.

Es waren dazu 40 Kavaliers (...) geladen, die sich ihre Dames selbst wählten, und paarweise in Pierutschen und geschlossenen Wägen um 3 Uhr, von der hiesigen Hofburg aus, mit Sr. Kais. Maj. (. . .) nach Schönbrunn aufbrachen, und allda in der Orangerie abstiegen. Diese war zum Empfang dieser Gäste auf das herrlichste und zierlichste zum Mittagmahle eingerichtet. (...)

Nach aufgehobener Tafel wurde auf dem an einem Ende der Orangerie errichteten Theater ein neues für dieses fest eigens komponirtes Schauspiel mit Arien, betitelt: Der Schauspiel Director, durch die Schauspieler von der k. k. Nazionalbühne aufgeführt.

Nach dessen Ende wurde auf der wälschen Bühne, die am andern Ende der Orangerie errichtet war, die ebenfalls ganz neu für diese Gelegenheit verfaßte Opera buffa unter dem Titel: Prima la Musica e poi le Parole, von der Gesellschaft der Hofoperisten vorgestellt.

Kaiser Joseph II., der seine Ambitionen, in Wien neben der italienischen Oper auch ein deutsches Nationalsingspiel zu etablieren, nicht vergessen hat, wagt anläßlich des Besuchs des Herzogs Albert Kasimir von Sachsen-Teschen und dessen Gemahlin, Erzherzogin Maria Christine, die Probe aufs Exempel.

Die erlauchte Gesellschaft soll im Rahmen eines Galadiners in der Orangerie von Schloß Schönbrunn eine singuläre Unterhaltung geboten bekommen.

An beiden Enden des länglichen Saals wird eine Bühne aufgebaut. Auf jeder dieser Bühnen wird ein Einakter einstudiert, hier einer in italienischer Sprache – eine klassische Opera buffa –, da ein deutschsprachiges Singspiel.

Ein solcher Wettstreit hat noch nie stattgefunden und vereint zwei der prominentesten Musiker der Zeit, den Hofkapellmeister Antonio Salieri, der die italienische Oper komponiert, und Wolfgang Amadeus Mozart, den Meister der „Entführung aus dem Serail“, für das deutsche Singspiel.

So viel künstlicher Theaterzwist soll auch auf den Bühnen Niederschlag finden. Beide Werke nehmen in parodistischer Weise die Bühnengepflogenheiten der Zeit aufs Korn.

Giambattista Casti dichtet für Salieri ein Libretto unter dem Titel „Prima la musica e poi le parole“ – was etwa 200 Jahre später Richard Strauss und seinen Ko-Librettisten Clemens Krauss zu dem altersweisen, die musikalische Romantik endgültig verabschiedenden Einakter „Capriccio“ inspirieren wird.

Der „Entführungs“-Librettist Gottlieb Stephanie der Jüngere schreibt für Mozart den Text zu „Der Schauspieldirektor“. Anders als Casti, der in althergebrachter Opernform über die Vorrangstellung der Musik über den Text verhandeln läßt, will Stephanie Sprechtheater und musikalische Komödie verschmelzen und führt uns – etwa nach dem Vorbild von Metastasios „Impresario delle canarie“ und Goldonis „Impresario von Smyrna“ – hinter die Kulissen des damaligen Theaterbetriebs.

Doch hebt die Komödie geradezu wie ein Satyrspiel auf die Kunst und Theaterbräuche des beginnenden 21. Jahrhunderts an, suggeriert doch der geschäftstüchtige Buff dem künftigen Prinzipal einer Wandertruppe, möglichst billige Künstler zu engagieren.
Es komme, so Buff, ausschließlich darauf an, effektvoll genug Werbung zu machen und große Events anzukündigen. Die Qualität der Darsteller sei Nebensache. Unter diesen Auspizien beginnen die Vorstellungen der Kandidaten, die zur köstlichen Parodie auf die Theaterpraxis der Mozart-Zeit werden, voll von Anspielungen auf damals gerade aktuelle Stücke des Wiener Repertoires.

Als erste Künstlerin erscheint Madame Pfeil, die zwar bisher völlig erfolglos versucht hat, ihre Karriere zu starten, doch von einem reichen Bankier protegiert wird, der verspricht, die Wandertruppe finanziell zu unterstützen. Madame Pfeil und Bankier Eiler geben gemeinsam eine Szene aus einem Stück namens „Der aufgehetzte Ehemann“ zum besten. Ein solches ist in den Theaterspielplänen jener Zeit zwar nicht nachweisbar, doch nehmen Mozart und sein Librettist Stephanie hier ein nicht zuletzt aus etlichen vielgespielten englischen Komödien geläufiges Genre aufs Korn.

Da Schauspielertruppen in jener Zeit flexibel alle Gelüste des Publikums zu bedienen haben, erscheint auch Madame Krone, die sich als Tragödin empfehlen möchte und mit ihrem Auftritt beim Impresario Erfolg hat: Sie wird ebenso engagiert die Madame Vogelsang, die sich im Verein mit Buff in einer Paraphrase auf die seit 1776 im Wiener Burgtheater gespielte Komödie „Der Jurist und der Bauer“ von Johann Rautenstrauch präsentiert.

Im Verlauf der folgenden Proben der neu zusammengestellten Truppe kommt es zu den üblichen Theaterkabalen und Streitigkeiten.
Sie gipfeln im Terzett „Ich bin die erste Sängerin“, das deutlich von Christoph Willibald Glucks „Recontre imprévue“ inspiriert ist. Sogar die Technik, die verwendeten Worte „Adagio, Allegro“ et cetera durch die entsprechenden Vortragsbezeichnungen in der Partitur sozusagen musikalisch lebendig werden zu lassen, findet sich in dem Vorgängerstück.

Zu allem Überfluß kommen die Ehepartner der Künstler ins Spiel. Während die Frau des Schauspielers Herz und Mademoiselle Silberklang den Impresario umgarnen, treibt der Tenor, mit dem Madame Vogelsang verheiratet ist, in Gagenverhandlungen seine Preisvorstellungen in die Höhe. Das zwingt den Impresario zu einer List: Er droht, die Tournee abzusagen, und holt damit alle Beteiligten auf den Boden der Realität zurück.
Gemeinsam besingt man die Tugend des Künstlervolks.

Es ist gewiß kein Zufall, daß an diesem Abend im „Schauspieldirektor“ zusätzlich zu allen aktuellen Anspielungen im Text auch das Auftreten zweier Künstlerehepaare für Amüsement des Publikums sorgt: Die gefeierte Schauspielerin Maria Anna Adamberger und ihr Mann, der Tenor Johann Valentin Adamberger, sowie der Schauspieler Joseph Lange und seine Frau, die einst von Mozart so angebetete Aloisia Weber. Wobei Anna Adamberger, die am Burgtheater in Rautenstrauchs Komödie Erfolge feiert, sich in ihrer als Parodie auf Rautenstrauch angelegten Szene sozusagen selbst persifliert.

Diese Attitüde sichert zwar das Gaudium des Publikums, das die Wiedererkennungseffekte genießt. Doch verliert die Komödie durch die Aneinanderreihung von kabarettistischen Einzelszenen an dramaturgischer Konsistenz. Vielleicht liegt es daran, daß bei diesem Wettstreit in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn nach allgemeiner Meinung Antonio Salieri mit seiner meisterlich geformten, zwar clownesken, aber allen Regeln der Theaterkunst entsprechenden Opera buffa „Prima la musica“ den Sieg davonträgt.
Salieris Figuren gewinnen dank des raffiniert gedrechselten Librettos von Casti klares Profil.
Gottlieb Stephanies Figuren bleiben demgegenüber platt. Dennoch ist die Nachwirkung von Mozarts Stück enorm.
Während Salieris Komödie in Vergessenheit versinkt, wird der „Schauspieldirektor“ noch zu Lebzeiten Salieris immer wieder als Bravourstück für Sänger neu inszeniert, nicht zuletzt von Johann Wolfgang von Goethe, der Christian August Vulpius beauftragt, Nummern aus Mozarts Werk 1797 in seine Weimarer Produktion von Domenico Cimarosas „L’impresario in angustie“ einzuarbeiten.

↑DA CAPO