Il re pastore

Wolfgang A. Mozart

Libretto: Pietro Metastasio

Uraufführung: 23. April 1775 im erzbischöflichen Palast, Salzburg

Alessandro (Alexander, König von Mazedonien, Tenor) – Aminta, Hirte, Geliebter der Elisa (Sopran) – Elisa, phönizische Nymphe (Sopran) – Tamiri, Tochter des Tyrannen Strato (Sopran) – Agenore, Edelmann aus Sidon, Geliebter der Tamiri (Tenor)

Alexander der Große und sein Vertrauter Agenor sind auf der Suche nach dem rechtmäßigen Herrscher des von Alexanders Truppen eroberten Sidon.
Dieser, so sagt man, lebe unerkannt unter einfachen Bürgern. Inkognito treffen Alexander und Agenor auf den Hirten Amintas.

Aus den Antworten, die dieser ihnen auf ihre Fragen gibt, glauben sie, in ihm den rechtmäßigen König von Sidon gefunden zu haben.
Doch Amintas ist verzweifelt, will auf sein idyllisches Schäferleben an der Seite seiner Geliebten Elisa nicht verzichten, zumal deren Eltern endlich die Einwilligung zur Hochzeit erteilen. Auch Tamiri, die Tochter des Tyrannen Strato, hat sich auf der Flucht vor Alexander in die Schäferidylle zurückgezogen. Agenor ist entzückt, das von ihm verehrte Mädchen zu finden, und gesteht ihr seine Liebe. Doch aus Furcht vor Alexander will sie sich weiter verborgen halten.

Alexander faßt großmütige Entschlüsse. Pflicht muß vor Neigung gehen, also soll zur Versöhnung alter Gegner Tamiri als Tochter des gestürzten Tyrannen den rechtmäßigen König, Amintas, heiraten.

Doch sowohl Tamiri als auch Elisa werfen sich Alexander zu Füßen und bitten ihn, seinen Entschluß zurückzunehmen. Amintas legt die Königswürde zurück. Er will Elisa treu bleiben.

Überwältigt von der Kraft der Liebe, krönt Alexander Amintas und Elisa zum Königspaar von Sidon. Doch Tamiri und Agenor verspricht er, sie zu Herrschern des nächsten von ihm eroberten Landes zu machen: solche Tugend müsse Regierungsgewalterlangen.

Hintergründe

Die berühmtesten Opernmeister jener Zeit haben Pietro Metastasios Buch „Il re pastore“ bereits vertont. Auf die Uraufführung des von Giuseppe Bonno komponierten Werks, das Kaiserin Maria Theresia für eine Produktion in Schönbrunn in Auftrag gegeben hatte, folgten Kompositionen von Hasse, Gluck, Jomelli und Galuppi, ehe Mozart von Erzbischof Colloredo die Anweisung erhielt, eine Oper anläßlich des Besuchs des Erzherzogs Maximilian Franz – der auf der Reise von Wien nach Italien in Salzburg Station machte – zu verfassen.

Die Mozarts, eben in München zur Premiere der „Finta giardiniera“, erleben in der bayerischen Metropole den Kastraten Tommaso Consoli. Er zählt zu den ersten Virtuosen seiner Generation, singt in der Uraufführungsproduktion der „Finta giardiniera“ vermutlich den Ramiro und hat in München wenige Monate zuvor in einer Aufführung des „Re pastore“ in der Vertonung durch Pietro A. Guglielmi mitgewirkt. Consoli wird nun vom Salzburger Hof für die Festaufführungen zum Empfang des Erzherzogs engagiert, was Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart auf die Idee gebracht haben könnte, den diesem Sänger vertrauten Text zu „Re pastore“ für die Salzburger Produktion zu wählen.

Das Stück gehört zu jener nicht eben besonders dramatischen Gattung der „Festa teatrale“. Ihr ist etwa auch das Mailänder Auftragsstück „Ascanio in Alba“ zuzurechnen. Die Wiener Aufführungstradition sieht für solche Stücke einen vernachlässigbar geringen szenischen Aufwand vor. Die zart-poetischen Geschichten aus dem Schäfermilieu, in das höhere Mächte eindringen, sehen zur Erbauung des Publikums stets tugendhaft-symbolische Schlußwirkungen vor. In Zeiten der Aufklärung kommt dem Bild des Herrschers als „gutem Hirten“ am Theater ein ganz spezieller Stellenwert zu.

Mozart stellt sich auf den introvertierten, gar nicht dramatischen Gestus der Erzählweise Metastasios ein und komponiert die einzelnen Szenen als Seelenbespiegelung der dargestellten Charaktere. Als musizierender Psychologe ist er während seiner Mailänder Erfahrungen und in der Arbeit an der „Gärtnerin aus Liebe“ merkbar gewachsen.

Formalismen, wie sie sich in früheren Partituren in Anlehnung an barocke Traditionen noch ergeben, fehlen hier bereits gänzlich. Jede einzelne Arie ist ein neuer Kosmos, findet ihre jeweils idealtypische Form. Keine gleicht schematisch einer andern. Immer wieder greifen die Einleitungen zum Mittel des vom großen Orchester begleiteten Accompagnato-Rezitativs.

Mozarts instinktive Neigung, übergreifende dramaturgische Bögen zu organisieren, zeigt sich besonders schön im Finale des ersten Akts, das er über das einleitende Rezitativ über das Duett zur großen, dreiteiligen Szene weitet – sogar unter Hinzunahme von Textpassagen, die so nicht bei Metastasio zu finden sind, um mehr Raum für die architektonische Betonung des Aktschlusses zu gewinnen.
Dieses A-Dur-Duett vereint zwei fühlbar bewegte Liebende, die eben daran sind, ihre Zuneigung der Staatsräson zu opfern. Große Seelenbilder späterer Opern kündigen sich da zumindest bereits an. Mozart wäre übrigens nie auf die Idee gekommen, daß Musik, wie er sie betrieb, nicht zur Unterhaltung, zur Erbauung ihrer Hörer dienen könnte.

Die Trennung in „ernste“ und „unterhaltende“ Musik ist zu seiner Zeit schlicht undenkbar. Wenn schon, dann unterscheidet man geistliche und weltliche Kompositionen. Doch gibt es auch zwischen diesen beiden Welten innige Verbindungen.

↑DA CAPO