La finta giardiniera
Wolfgang A. Mozart
Libretto: Pietro Metastasio
Uraufführung: 13. 1. 1775 München, Salvatortheater.
Don Anchise, Podestà (Bürgermeister) von Lagonero, verliebt in Sandrina (Tenor) – Marchesa Violante Onesti, Geliebte des Grafen Belfiore, als Gärtnerin unter dem Namen Sandrina (Sopran) – Graf Belfiore, früher der Geliebte von Violante, jetzt von Arminda (Tenor) – Arminda, vornehme Mailänderin, Nichte des Podestà, früher die Geliebte des Cavaliere Ramiro, jetzt Verlobte des Grafen Belfiore (Sopran) – Cavaliere Ramiro, Geliebter der Arminda, von ihr verlassen (Sopran) – Serpetta, Kammerzofe des Podestà (Sopran) – Roberto, Diener der Marchesa, als Gärtner unter dem Namen Nardo (Baß).
Ein feines Gespinst aus Liebesbeziehungen knüpft alle handelnden Personen aneinander. Verhinderte, ehemalige, unerfüllte Amouren, rettungslos ineinander verstrickt bereits, wenn der Vorhang sich öffnet. Vor kurzem hat der Podestà Don Anchise Sandrina und deren Cousin Nardo als Gärtner eingestellt. Nun ist er über beide Ohren in Sandrina verliebt. Doch die erwidert die Gefühle ihres Herrn nicht, erhört ihn ebensowenig wie Serpetta den Gärtner Nardo. Denn auch Serpetta ist verliebt, jedoch in Don Anchise.Das Verwirrspiel wird zusätzlich verkompliziert durch ein Verwechslungsund Täuschungsmanöver. Denn Sandrina ist in Wahrheit nicht Gärtnerin, sondern die Gräfin Onesti auf der Suche nach ihrem Geliebten, dem Grafen Belfiore. Belfiore, eitel, prahlerisch und feig, ist geflohen, weil er glaubt, seine Geliebte bei einer Auseinandersetzung getötet zu haben.
Ein Verwirrspiel
Auf dem Landgut des Don Anchise verliebt er sich in Arminda, die sich zwar als resche Frauensperson zu erkennen gibt, die sich gegen männliche Fehlleistungen zu wehren versteht, doch ihren früheren Geliebten Ramiro gern gegen den Grafen zu tauschen bereit ist. Völlige Konfusion herrscht, als Belfiore in der Gärtnerin, die zusammenbricht, als sie von seiner geplanten Hochzeit mit Arminda erfährt, seine frühere Geliebte wiederzuerkennen glaubt.Liebe bis zum Wahnsinn
Die aber treibt das Vexierspiel auf die Spitze: Sie sehe der Gräfin, die gestorben sei, nur ähnlich. Erst als ein Haftbefehl gegen Belfiore wegen Mordes an der Gräfin einlangt und der Podestà mit einer Untersuchung des Falles beginnt, lüftet sie ihr Inkognito. Doch gibt sie dem ehemaligen Geliebten im selben Atemzug die Chance, sich seiner neuen Verehrten zu widmen: Sie selbst sei an ihm nicht mehr interessiert. Belfiore droht dem Wahnsinn zu verfallen.Der unentwirrbare Knäuel von Beziehungen entwirrt sich erst, als alle Beteiligten des Spiels in den dunklen Wald ausschwärmen müssen, um die plötzlich verschwundene Gräfin, die „Gärtnerin aus Liebe“, zu suchen. Über manch kokette Volte hinweg finden einander die richtigen Paare: Sandrina und Belfiore, Serpetta und Nardo, Arminda und Ramiro. Dem Podestà aber bleibt die Hoffnung auf eine neue „Finta giardiniera“.
Hintergründe
Wenn es einen Wendepunkt in Mozarts Schaffen gibt, an dem deutlich wird, wie sich seine Musik, sein dramatisches Talent im besonderen von der Produktion seiner Zeitgenossen abhebt, so ist er vielleicht mit der „Finta giardiniera“ von 1775 erreicht. Oft zitiert wurde Christian F. D. Schubarts Uraufführungsbericht, in dem es heißt: „Genieflammen zucken da und dort, aber es ist noch nicht das stille, ruhige Altarfeuer, das in Weihrauchwolken gen Himmel steigt. Wenn Mozart nicht eine im Gewächshaus getriebene Pflanze ist, so muss er einer der größten Komponisten werden, die jemals gelebt haben.“Der Dichter verspürt jedenfalls das Besondere, das sich hier ankündigt, die Differenz, die jetzt schon zwischen dem auszumachen ist, was das Tagesgeschehen dem Kunstfreund in jener Ära unablässig zuträgt, und dem, was der 19jährige Mozart uns schenkt.
Es ist die zweite Opera buffa, die er schreibt. Weder weiß man genau, wer ihm den Auftrag dazu vermittelt hat, noch wer tatsächlich der Librettist war. Sicher ist, daß denselben Text ein Jahr zuvor Pasquale Anfossi komponiert hat, ein Zeitgenosse von Format, dessen Werk sich größter Beliebtheit erfreut. Dem Interessenten gibt das die Möglichkeit, Mozart mit Anfossi zu vergleichen. Die Zeitgenossen, anders als Schubart eher von der Genialität Anfossis überzeugt, vergessen Mozarts Oper schnell. Bei der Uraufführung freut sich Mozart über „ein erschröckliches getös mit glatschen, und viva Maestro schreyen“, und das „nach einer jeden Aria“. Doch verfliegt der Erfolg rasch, während Anfossis Vertonung in ganz Europa immer wieder neu produziert wird.
200 Jahre danach fällt das Urteil anders aus.
Mag sein, daß das Publikum des ausgehenden 18. Jahrhunderts von der Kühnheit, die Schubart zu seinen Zukunftsvisionen verleiteten, abgeschreckt wurde. Denn es ist kühn, was Mozart aus dem keineswegs über die Konventionen der üblichen Opera buffa erhabenen Text an musikdramatischen Funken schlägt. Zwar bietet ihm das Libretto zur „Finta giardiniera“ noch nicht jene Herausforderung, die später Lorenzo da Ponte mit seinen Theaterarbeiten zum kongenialen Partner des Komponisten werden läßt. Noch gibt es nicht die Chance, über weite Strecken, ja ganze Akte dramaturgische Linien zu zeichnen, Spannungsbögen aufzubauen. Vor allem fehlen die von da Ponte mit architektonischem Gespür gesetzten Möglichkeiten zu Ensemblesätzen.
Die Finalszenen verdichtet Mozart jedoch durchaus bereits zu bunten, von jähen Wechseln der Tonarten – auch zwischen Dur und Moll – charakterisierten Bilderfolgen. Im übrigen herrscht mit wenigen Ausnahmen noch die klassische Abfolge von Rezitativ und Arie, Rezitativ und Arie.
Doch: Welche Arien! Welche Erregung im g-Moll der Arminda zu Beginn des zweiten Akts, welche Mischung aus Aufbegehren und Verzweiflung im (von den Fagotten melancholisch gefärbten) c-Moll des Ramiro vor dem Finale (beide Arien mit Allegro agitato überschrieben). Wie feinsinnig werden die poetischen Bilder des Textes in klingende Figuren übersetzt, wenn etwa die Lerche, die sich in Ramiros erster Arie (Nr. 2) zunächst in flüchtigen Violinfiguren aus ihrem Gefängnis befreit, mit den Koloraturen der Singstimme unwiderruflich entfliegt.
Mozart erfindet hier erstmals in solcher Fülle für jede Situation, für jeden Charakter nicht nur die einfühlsamsten Melodien und Harmonien, sondern auch die dazugehörigen formalen Muster, wiederholt Passagen oder verhindert Wiederholungen, je nach Zustand des Dargestellten, oder sollte man besser sagen: des Analysierten?
Insofern finden sich in der „Finta giardiniera“ in Fülle Vorahnungen späterer meisterlicher Charakterbilder.