La finta semplice

Wolfgang A. Mozart

Opera buffa in 3 Akten
Libretto: Carlo Goldoni und Marco Coltellini
Uraufführung: möglicherweise Salzburg 1769

Rosina, eine ungarische Baronesse, die Einfalt vortäuscht, Schwester des Fracasso (Sopran) – Don Cassandro, reicher Gutsbesitzer aus Cremona, ein törichter und geiziger Kavalier (Baß) – Don Polidoro, sein jüngerer Bruder, ein törichter Kavalier (Tenor) – Giacinta, Schwester von Don Cassandro und Don Polidoro (Mezzosopran) – Ninetta, ihre Zofe (Sopran) – Fracasso, Hauptmann der in Cremona einquartierten Truppen, Bruder von Rosina (Tenor) – Simone, sein Feldwebel (Baß)

Drei Geschwister, die schöne Giacinta, der dominante Cassandro und der zartbesaitete Polidoro, leben zurückgezogen auf einem Schloß in der Nähe von Cremona. Als eines Tages der ungarische Kommandant Fracasso und sein Hauptmann Simone im Schloß einquartiert werden, kommt Bewegung ins beschauliche Leben. Fracasso verliebt sich in Giacinta, Simone in die Zofe Ninetta. Ein Schlachtplan muß entworfen werden, um die Störung des eben erwachten Liebeslebens durch die notorisch weiberfeindlichen Brüder Giacintas zu verhindern. Ninetta weiß Rat: Die beiden Herren müssen sich selbst velieben.

Und zwar in Fracassos ebenso kluge wie schöne Schwester Rosina. Der Plan geht auf. Rosinas Charme bezaubert beide Herren. Der gutmütige Polidoro schenkt der Schönen einen prallgefüllten Geldbeutel, der geflüchtete Geizkragen Cassandro einen Ring.

Doch geraten die Brüder, vom Weingenuß enthemmt, in Streit, wollen einander gar duellieren. Rosina fühlt sich zwar geschmeichelt, hat aber alle Hände voll zu tun, sich den zudringlichen Polidoro vom Leibe zu halten.

Als Cassandro sie beschuldigt, den Ring gestohlen zu haben, zieht Bruder Fracasso zur Verteidigung der Ehre seiner Schwester den Degen.

Cassandro flieht. Giacinta und Ninetta haben die allgemeine Verwirrung genutzt und sind mit dem gesamten Vermögen durchgebrannt: Wer die flüchtigen Mädchen findet, so bestimmen die Hausherren, soll sie heiraten dürfen.

Darauf haben die beiden nur gewartet. Sie verabreden sich insgeheim mit ihren Geliebten, während Rosina Herrn Cassandro schöne Augen macht und ihn für ein zynisches Doppelspiel gewinnt, bei dem Bruder Polidoro als betrogener Liebeswerber auf der Strecke bleiben wird.

Hintergründe

Joseph II. ist ein wichtiger Förderer im Leben Wolfgang Amadeus Mozarts. Er dürfte anläßlich der Audienz, die er Leopold Mozart und seinem genial begabten Sohn im Jänner 1768 gewährt, angeregt haben, »eine opera zu componieren und selbe zu dirigieren«. So beschreibt es der Vater in einem Brief an den Salzburger Freund Lorenz Hagenauer.

Hofopernintendant Giuseppe Affligio dürfte die Anregung aufgegriffen haben und vermittelte die Textvorlage zur Erfüllung des kaiserlichen Wunsches: Carlo Goldonis Dramma giocoso »La finta semplice«, 1764, komponiert von Salvador Perillos, in Venedig erstmals aufgeführt. Marco Coltellini, seit der Saison 1763/64 Nachfolger Pietro Metastasios als Hofdichter, hat die Vorlage gestrafft, die Duellszene im Mittelakt neu arrangiert und das Finale umgedichtet.

Goldonis Text, wiewohl gewiß nicht sein brillantestes Stück, bietet feincharakterisierte Figuren weit über die standardisierten Schemata der Commedia dell’arte hinaus. Vor allem die Damen, die recht energisch und selbstbewußt die Liebeshandlung vorantreiben, sind liebevoll gezeichnet.

Intrigen gegen das junge Genie

Mozarts Musik nützt die Möglichkeiten, die sich zur psychologischen Durchdringung bieten, erstaunlich subtil, schafft Stimmung und Atmosphäre in einer Vielfalt, die auf die Zeitgenossen wohl verblüffend gewirkt hätte, wären sie mit der »Finta semplice« konfrontiert worden. Doch ist nicht sicher, ob das Werk zu Mozarts Lebzeiten überhaupt öffentlich aufgeführt worden ist. In Wien kommt die Produktion nicht zustande, weil Intendant Affligio in finanziellen Schwierigkeiten steckt.

Vielleicht auch, weil manche führende Musiker – Leopold Mozart schreibt: »darunter Gluck eine Hauptperson ist« – gegen die Produktion der Oper eines Zwölfjährigen opponieren. Eine Intervention des Vaters beim Kaiser fruchtet nichts.

Obwohl Joseph II. sogar in der Sache nachhakt, wird »La finta semplice« nicht gespielt. Mit den Sängern hat Mozart sein Werk zwar geprobt, dann aber lediglich im Rahmen einer Privataufführung bei Gottfried van Swieten »beym Clavier produzieret«.

Eine von manchen Kommentatoren angeführte Aufführung in Salzburg, 1769, ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen. In jenem Jahr erscheint jedoch das Textbuch im Druck und nennt auch die Namen der für die zumindest geplante Salzburger Produktion vorgesehenen Solisten.

↑DA CAPO