Apollo und Hyazinth
Wolfgang A. Mozart
Dramma giocoso in zwei Akten Libretto: Rufinus Widl Uraufführung: 13. Mai 1767, Große Aula der Universität Salzburg
Am Hof des Königs Oebalus wird ein Fest für den Gott Apollo zelebriert, das von einer Naturkatastrophe jählings unterbrochen wird: Ein Blitzschlag zerstört den Opferaltar.
Apollo erscheint als Hirte verkleidet und bittet um Quartier. Jupiter habe ihn verbannt.
Während Zephyrus, der Vertraute des Königssohnes Hyacinth, den Fremden mißtrauisch beargwöhnt, verliebt sich die Königstochter Melia in Apollo, der auch um ihre Hand anhält. Da beschuldigt Zephyrus den Gast, Hyacinth mit einem Diskuswurf getötet zu haben. Oebalus will Apollo verbannen.
Der aber beschuldigt nun seinerseits den Zephyrus des Mordes und läßt ihn von den Winden in die Höhle des Äolus entführen.
Melia, die zunächst an der Schuld Apollos gezweifelt hatte, wirft ihm nun vor, den Bruder und dessen Vertrauten auf dem Gewissen zu haben. Doch Oebalus hat den tödlich verwundeten Hyacinth noch finden können und von diesem den wahren Mörder erfahren: Zephyrus hat die Tat vollbracht.
Der König und Melia fürchten nun den Zorn des Apollo. Der aber zeigt sich versöhnlich, reicht Melia die Hand und bedeckt den Leichnam des Hyacinth mit Blumen.
Das Werk
Am Nachmittag des 13. Mai 1767 musizieren und singen Gymnasiasten in der Aula academica der Salzburger Universität das geistliche Drama „Apollo und Hyazinth“. Der lateinische Text paraphrasiert eine Episode aus Ovids Metamorphosen. Die Musik komponierte Wolfgang Amadeus Mozart, gerade elf Jahre alt, also zwei Jahre jünger als die jüngsten Mitwirkenden. Den zum Teil halbwüchsigen Darstellern mutet der noch kindliche Komponist extrem schwierige Gesangspartien zu, was auf den enormen Standard der musikalischen Ausbildung schließen läßt, die man den Salzburger Studenten in jener Zeit angedeihen läßt.
Darbietungen wie jene des „Apollo“-Dramas sind für die Studenten eine Selbstverständlichkeit. In der Regel werden die Stücke für die in Salzburg seit 1620 nachgewiesenen Produktionen von den Professoren nicht nur gedichtet, sondern auch komponiert, um die Vertrautheit der Schüler mit der Sagenund Götterwelt der Antike sowie der lateinischen Sprache zu vertiefen. Bei dem von Mozart komponierten musikalischen Werk handelt es sich um ein Intermezzo, das während der Schauspielaufführung von „Clementia Croesi“ für Abwechslung sorgen soll. Beide Texte, jener der „Clementia“ wie der des „Apollo“, stammen von dem Benediktinerpater Rufinus Widl (1731–1798). Für das Intermezzo schreibt die Poesie ganz nach Librettistenart Rezitative und Arien, Chöre und ein Terzett vor. Zehn musikalische Nummern hat der junge Mozart – offenkundig in drängender Zeitnot – zu erarbeiten. Er beschreitet damit, was damals niemand ahnen kann, die ersten Stufen auf dem Weg zu einer einzigartigen Karriere als Opernkomponist. Wie weit Vater Leopold dem Sohn bei der Arbeit als Berater, ja vielleicht sogar Mitarbeiter zur Hand geht, läßt sich nicht genau ausmachen. Die handschriftliche Partitur zeigt zwar, daß beide, Wolfgang Amadeus und Leopold Mozart an der Verfassung des Manuskripts beteiligt waren, doch unterscheiden sich die Handschriften kurioserweise so wenig, daß nicht einmal mit Sicherheit zu sagen ist, wer von den beiden welche Eintragung gemacht hat. Daß der Sohn den Löwenanteil an der Komposition bestritten hat, steht insofern außer Zweifel, als die mangelhafte Beherrschung des Lateinischen in der musikalischen Rhythmisierung Spuren hinterläßt. Pater Widls Text ist in jambischen Trimetern abgefaßt. Mozart vertont sie mangels Einsicht als Prosa, und er leistet sich in der Betonung der Wörter machen Fauxpas. Gemessen an der eminenten Gesamtleistung sind das allerdings minimale Einwände, die letztlich nicht einmal die Bewunderung für Vater Mozart schmälern können, der seinem Sohn, ohne daß dieser jemals eine Schule besucht hätte, eine für damalige Verhältnisse nicht nur musikalisch erstklassige Bildung angedeihen läßt. Neben sittlichen Unterweisungen sieht der väterliche Unterricht zunächst das Lesen, Schreiben und Rechnen, später bald die Sprachen vor, die es anläßlich der Reisen zu beherrschen gilt. Wolfgang Amadé lernt neben dem Lateinischen auch Englisch, Französisch und vor allem Italienisch, das er mit vierzehn fließend parliert.
Das Salzburger Auditorium reagiert auf die musikalische Novität aus der Feder eines Kindes begeistert. Darauf läßt eine Anmerkung des Universitätsrektors schließen, der notiert, man empfinde „höchste Freude“ über die Musik. Dem „größten Beifall“, dankt Mozart mit Improvisationen auf dem Klavier: „Bis in die Nacht“, so schreibt der Rektor, gibt der junge Mann „unerhörte Beweise seiner pianistischen Kunst“. In dieser hat er sich vom Vater auf den strapaziösen Konzertreisen längst emanzipiert. Jetzt gilt es, das Erreichte daheim zu festigen.
Spätere Kommentatoren haben – nach Erstdruck (1879) und Wiederaufführung (1922) – zu hören vermeint, in mancher Phrase des „Apollo“ klinge bereits die künftige Meisterschaft des „Figaro“-Komponisten an. Das mag übertrieben klingen. Lauscht man den einzelnen Nummern der Oper unbefangen, empfindet man jedoch tatsächlich Augenblicke staunenswerter musikalischer Verdichtung, die wohl für die Zeitgenossen unerhört geklungen haben muß. Allen voran ist hier das Duett Nr. 8 zu nennen, das Mozart selbst als außergewöhnlich empfindet, denn er schafft ihm in seinem Œuvrekatalog bald ein Gegenstück in Form des langsamen Mittelsatzes der frühen Symphonie in F-Dur KV 43. Diese Übernahme einer Vokalnummer in eine Instrumentalkomposition ist auch ein früher Beweis für den sicheren Instinkt dieses Komponisten für die richtige Gestaltung singbarer Melodien und die „gesangliche“ Schreibweise für Instrumente.
↑DA CAPO